Türkei unterbindet Proteste gegen Entlassung
20. August 2019Türkische Sicherheitskräfte haben mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken Proteste gegen die Amtsenthebung von drei pro-kurdischen Bürgermeistern im Südosten des Landes verhindert. In der kurdisch dominierten Großstadt Diyarbakir versuchten trotz eines Demonstrationsverbotes viele Menschen nahe der Stadtverwaltung zusammenzukommen.
Die Polizei habe alle Straßen abgesperrt, die Demonstranten eingekesselt und Schlagstöcke eingesetzt, sagte Feleknas Uca, eine in Deutschland geborene Abgeordnete der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Dabei wurde Uca nach eigenen Angaben verletzt.
Das türkische Innenministerium hatte am Montag im kurdisch dominierten Südosten des Landes die Bürgermeister der Provinzhauptstädte Diyarbakir, Mardin und Van ihres Amtes enthoben. Alle drei sind Mitglieder der HDP, die bei der Kommunalwahl im März gewählt worden waren. Der Staat wirft ihnen Verbindungen zu Terroristen vor. Sie sollen außerdem Terrorpropaganda verbreitet haben. Die Gouverneure der Provinzen sollen die Geschäfte weiterführen. Sie werden nicht demokratisch gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt.
Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht die HDP als verlängerten Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und der EU als Terrororganisation eingestuft ist. Er hatte mehrfach damit gedroht, nach den Kommunalwahlen gegebenenfalls wieder HDP-Bürgermeister absetzen zu lassen. Dies geschah bereits nach dem Putschversuch von 2016.
Weitere Festnahmen im Vorfeld
Wie das Innenministerium in einem Tweet mitteilte, waren am Montag in diesen drei und in 26 weiteren Provinzen bei Razzien 418 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen worden.
Der HDP-Vorstand hatte mitgeteilt, dass auch HDP-Gemeinderatsmitglieder und Angestellte betroffen seien. Bei einer Pressekonferenz in Istanbul sagte die Co-Vorsitzende der Partei, Pervin Buldan, das Volk sei mit den Amtsenthebungen "seines Willens beraubt" worden. Die AKP-Regierung versuche, von ihren Problemen in der Außenpolitik, Wirtschaft und im sozialen Bereich abzulenken. Buldan kündigte Widerstand auf jede "demokratische" Weise an.
Die Maßnahme hatte auch im Ausland Kritik ausgelöst, unter anderem von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, der EU und dem Europarat. In einer Stellungnahme der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hieß es, die Entlassungen verletzten eklatant die Rechte von Wählern und setzten vor Ort die Demokratie außer Kraft. HRW-Direktor für Europa und Zentralasien, Hugh Williamson, kritisierte auch, dass die Betroffenen mit vage gehaltenen Terrorvorwürfen verleumdet würden.
ust/stu (dpa, rtr)