1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr Transparenz beim Freihandelsabkommen

Sabine Kinkartz22. Mai 2014

Während die fünfte Gesprächsrunde über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU läuft, wächst auch in Deutschland Widerstand. Bei Bundeswirtschaftsminister Gabriel trifft er auf Gehör.

https://p.dw.com/p/1C4bg
Protestaktion gegen EU-US Freihandelsabkommen TTIP am 6. Mai Berlin. (Foto: Eva Usi)
Bild: DW/E. Usi

Nun ist er auch im Deutschen Bundestag angekommen, der Widerstand gegen die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA. Auf Antrag der Linken und der Grünen debattierten die Abgeordneten mehr als zwei Stunden über das sogenannte TTIP. Eine emotionsgeladene Debatte, in der sich die Opposition vor allem daran rieb, dass Brüssel und Washington nach wie vor ein so großes Geheimnis um die Verhandlungen machen.

"Die Bürger fürchten, dass diese Heimlichtuerei einen Zweck erfüllt, und mit diesen Befürchtungen liegen sie genau richtig", kritisierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter. "Wer den Inhalt des Verhandlungsmandats kennt, der sieht, dass es nicht den Interessen der Menschen, nicht den Interessen von Verbraucher- und Umweltschutz dient, sondern ausschließlich den kurzfristigen Profitinteressen einiger weniger Großkonzerne."

Dürfen Konzerne die Politik bestimmen?

Dabei beunruhige ihn weniger das vielzitierte "Chlorhühnchen", so Hofreiter. "Guter Verbraucherschutz in der EU, schlechter Verbraucherschutz in den USA, das ist doch etwas zu schlicht." Hochproblematisch hingegen sei das geplante Investitionsschutzabkommen. Dabei geht es um die Einrichtung interner Schiedsgerichte, vor denen Konzerne klagen können, wenn sie mit der nationalen Gesetzgebung nicht einverstanden sind. Weltweit gibt es bereits eine Reihe solcher Abkommen. Die Erfahrungen damit, so warnen die Grünen, seien schlecht.

In der Debatte gab Anton Hofreiter einige Beispiele. So klage der Tabak-Riese Philip Morris gegen Australien und Uruguay auf Schadenersatz, nur weil sie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln druckten. Der Ölkonzern Lone Pine verlange von Kanada Schadenersatz, weil seine Provinz Quebec die Hochrisikotechnologie Fracking verbieten wolle. "Und Vattenfall verklagt die Bundesrepublik Deutschland auf 3,5 Milliarden Euro Schadenersatz, nur weil wir aus der Atomkraft aussteigen. Will irgendjemand, dass Philip Morris, Lone Pine oder Vattenfall uns die Politik diktieren?" Der Bundestag dürfe einem Abkommen, das solche Klagemöglichkeiten erweitere und den Rechtsstaat untergrabe, indem es öffentliche Gerichte ersetze, auf keinen Fall zustimmen.

Porträt von Anton Hofreiter (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Für Anton Hofreiter ist TTIP nicht im Interesse der MenschenBild: picture-alliance/dpa

Gabriel will Geheimnisse lüften

Dabei ist nicht einmal gesichert, ob TTIP, sollten die EU und die USA handelseinig werden, überhaupt von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet werden muss. EU-Handelskommissar Karel de Gucht beabsichtigt, diese Frage vom Europäischen Gerichtshof klären zu lassen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält das für einen Fehler. Ein gesellschaftlicher Konsens könne nur durch eine breite Zustimmung und durch maximale Transparenz erreicht werden. Zwar hat de Gucht inzwischen verfügt, dass die meisten der europäischen Verhandlungsdokumente im Internet öffentlich einsehbar sind, die Amerikaner halten ihre Unterlagen aber nach wie vor unter Verschluss.

Sigmar Gabriel mit BDI-Chef Grillo und BGA-Chef Börner. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)
Den Wähler im Blick und die Wirtschaftslobbyisten im Rücken: Sigmar GabrielBild: picture-alliance/dpa

Der deutsche Wirtschaftsminister kann daran wenig ändern, aber das, so sagt er, sei im Grunde genommen auch ohne Bedeutung. "Mir ist egal, was die Amerikaner machen. Mich interessiert, was die Europäer machen." Er könne den USA nicht reinreden bei der Frage, ob sie mit ihrer Verhandlungsposition transparent umgehen wollen oder nicht. "Für mich ist von Bedeutung, wie unsere Haltung in Europa ist, und ich habe die Absicht, über die unterschiedlichen Verhandlungsstände, wenn sie uns bekannt sind, offen zu informieren, das ist doch klar."

Alles umgehend publik machen, das kommt einer Kampfansage gleich. In einer aufgeklärten Gesellschaft könne man keine Geheimverhandlungen führen, argumentiert Gabriel.

Mit TTIP-Gegnern an einem Tisch

Tatsächlich hat das Bundeswirtschaftsministerium in den vergangenen Wochen so etwas wie eine Info-Offensive in Gang gesetzt. Informationen rund um das TTIP sind in frisch gedruckten Broschüren und auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums nachzulesen.

Gabriel hat zudem einen zwanzigköpfigen, prominent besetzten Beirat einberufen, der ihn bei der Positionierung Deutschlands beraten soll und in dem auch Gegner des Freihandelsabkommens sitzen. "Ich habe ausdrücklich darum gebeten, mir und der Bundesregierung auch Hinweise zu geben, worauf wir aus Sicht der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Gewerkschaften, der Kirchen, der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände achten sollen und welche Verhandlungsposition aus Sicht dieses Beirats eingenommen werden soll."

Für den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Hofreiter ist das nicht mehr als ein, wie er sagt, "besonders billiges Wahlkampfmanöver". Nach der Wahl zum EU-Parlament, da sei er sich sicher, werde Gabriel wieder ausschließlich der "Genosse der Bosse" sein. "Diesen Beirat gibt es auf europäischer Ebene auch schon. Die Nichtregierungsorganisationen sagen, es gibt keine Informationen, keinen Einfluss, nichts."

Sigmar Gabriel (m.) mit dem TTIP-Beirat im Wirtschaftsministerium. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)
Gabriel (m.) bei der Konstituierung des TTIP-Beirats im WirtschaftsministeriumBild: picture-alliance/dpa

Wie viel Einfluss hat Deutschland?

Vorwürfen wie diesen hält Gabriel seine Entschlossenheit entgegen, auf deutscher Ebene einiges zu ändern. Manche der Befürchtungen gegenüber TTIP hält er durchaus für berechtigt und sagt, es sei Aufgabe der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass die deutschen Interessen "nicht untergepflügt werden".

Dabei hat Deutschland grundsätzlich gar keine Möglichkeit, ein direktes Veto einzulegen, da die EU die Verhandlungen führt. Doch Gabriel ist nicht bange."Ich glaube, es ist relativ klar, dass die Europäische Kommission am Ende auf die Zustimmung dieses Landes angewiesen ist. Das ist die stärkste Wirtschaftsnation, und was Deutschland zu dem Thema sagt, wird schon gehört werden."

Auf der anderen Seite dürften aber auch die Chancen einer atlantischen Freihandelszone mit 800 Millionen Verbrauchern nicht außer Acht gelassen werden. Als größte Wirtschaftszone der Welt könne sie Standards für alle setzen: "Wenn uns das nicht gelingt", so Gabriel, "dann setzen andere die Standards, die dann vermutlich niedriger sind als die, die wir in Europa für angemessen halten."