Tschadische Truppen bekämpfen Boko Haram
19. Januar 2015Jetzt mischt sich in den Kampf gegen Boko Haram auch der Tschad ein. Erste Truppen sind bereits in Kamerun, um das Land im Kampf gegen die Islamisten zu unterstützen. "Wir wissen noch nicht, um wie viele es sich genau handelt, aber die ersten Soldaten sind in Kamerun eingetroffen und soweit wir wissen, sind sie dort auch sehr willkommen", sagt Comfort Ero, Afrika-Expertin des Think Tanks International Crisis Group. Tschads Präsident Idriss Déby sprach in einem Interview mit der französischen Zeitung "La Croix" von einem Konvoi aus 400 Fahrzeugen sowie Hubschraubern, die er am Wochenende nach Kamerun entsandt habe.
In Nordkamerun schlägt die nigerianische Terrormiliz Boko Haram seit einigen Monaten immer wieder zu. Am Sonntag überfielen die Islamisten mehrere Dörfer entlang der durchlässigen Grenze zu Nigeria und entführten etwa 80 Bewohner. Knapp 30 von ihnen konnten inzwischen befreit werden, die anderen Geiseln wurden offenbar nach Nigeria verschleppt. "Sie gingen von Haus zu Haus und nahmen alle Frauen und Kinder mit", berichteten Augenzeugen dem DW-Korrespondenten in Kamerun, Moki Kindzeka. Dabei seien auch Menschen getötet worden. Wie viele, ist unklar. "Sie haben sie abgeschlachtet wie Ziegen", so Kindzeka. Es ist einer der bislang schwersten Zwischenfälle auf kamerunischem Boden. "Die Menschen hier haben Angst, dass das, was in Nigeria passiert, bald auch in Kamerun Alltag werden könnte."
Durchlässige Grenzen
Seit sechs Jahren terrorisiert Boko Haram vor allem den Norden Nigerias mit Anschlägen. Mehr als 10.000 Menschen sollen dabei getötet worden sein, genaue Zahlen gibt es nicht. Bis zu 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Inzwischen sind die Extremisten aber auch dicht an Kamerun herangerückt. Sie würden auf der nigerianischen Seite etwa die Hälfte der 500 Kilometer langen Grenze kontrollieren, sagt DW-Reporter Moki Kindzeka. Es sei einfach für die Kämpfer, nach Kamerun zu gelangen, Selbstmordattentate zu verüben oder Menschen zu kidnappen.
Die Grenzregion sollen jetzt die tschadischen Truppen gemeinsam mit Kameruns Militär kontrollieren. "Tschads Armee ist dafür bekannt, sehr erfolgreich zu sein im Kampf gegen Rebellen und Aufständische dieser Art", sagt Comfort Ero, die die Ereignisse von Kenia aus beobachtet. "Die Truppen sind sehr widerstandsfähig und flexibel."
Viel Misstrauen in der Region
Doch allein kann der Tschad die Islamisten nicht stoppen. Präsident Idriss Déby forderte in seinem Interview mit "La Croix" eine afrikanische Koalition gegen die Terrormiliz, eine Eingreiftruppe unter Federführung der Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten (CEEAC). Immer wieder hatte auch Kameruns Präsident Paul Biya um mehr Unterstützung im Kampf gegen die Terrorgruppe gebeten. Bislang allerdings ohne großen Erfolg. Zwar hatten die westafrikanischen Staats- und Regierungschefs im Mai 2014 auf einem Anti-Terror-Gipfel in Paris Einheit und Handlungswillen demonstriert. Aber eine regionale Spezialtruppe ist bislang nicht zustande gekommen - auch weil Nigeria zögert.
"Zwischen Nigeria, Tschad und Kamerun herrscht schon lange ein tiefes Misstrauen. Sie haben sich ja immer wieder gegenseitig beschuldigt, ein doppeltes Spiel zu spielen, was Boko Haram betrifft", sagt Comfort Ero. Wer bekämpft die Islamisten und wer unterstützt sie heimlich, darüber wird viel spekuliert und gestritten.
Mehr Kooperation im Kampf gegen den Terror?
Doch je weiter die Islamisten ihr Kampfgebiet auch in den Norden Kameruns ausweiten, desto mehr werden sie auch zur Bedrohung für die ganze Nachbarschaft. "Der Tschad hat realisiert, dass Boko Haram ein regionales Phänomen ist. Und es geht ihnen jetzt auch um die eigene Sicherheit", sagt Analystin Ero. "Ich denke, die Länder erkennen, dass sie ihr Misstrauen abbauen und kooperieren müssen." Die Truppen aus dem Tschad könnten ein erster Schritt in diese Richtung sein.
Auch Ghanas Präsident John Dramani Mahama, der zurzeit Vorsitzender der westafrikanischen Staatengruppe Ecowas ist, plädiert für eine multinationale Truppe und mehr internationales Engagement. Zwar gebe es noch "keinen Bedarf, dass europäische Truppen angefordert werden sollten", sagte Mahama bei einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. "Aber sicher wäre logistische Hilfe wichtig." Gemeint sind etwa Bundeswehr-Flugzeuge, wie sie Deutschland auch für den Militäreinsatz der Franzosen gegen islamistische Gruppen in Mali stellt.