US-Konjunktur: Schlägt das Pendel bald zurück?
28. Juni 2019Die gute Nachricht dieser Woche kam am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) aus dem US-Handelsministerium: Im Anfangsquartal 2019 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA - und zwar mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate von 3,1 Prozent. Im Vorjahr hatte es ein Wachstum von 2,2 Prozent gegeben.
Getragen würde die Konjunktur zu Jahresbeginn vor allem von steigenden Exporten und höheren Staatsausgaben, so die Ministerialbeamten. Der private Konsum habe aber mit 0,9 Prozent nicht mehr so stark zu wie zuvor zugelegt. Zuvor hatte das Plus noch bei 2,5 Prozent gelegen. Der private Konsum macht in den USA traditionell mehr als zwei Drittel des BIP aus.
Doch ist nicht alles Gold, was glänzt ...
Viele Experten, darunter auch solche der US-Notenbank Fed, gehen inzwischen davon aus, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft bald abkühlen dürfte. Die Federal-Reserve-Bank-Aussenstelle in Atlanta, Georgia, hat errechnet, dass es im zweiten Quartal beim US-BIP doch nur zu einem Plus von 1,9 Prozent reichen wird - aufs Jahr hochgerechnet.
In der Notenbank mehren sich die Stimmen, die davor warnen, dass der Handelsstreit mit China der US-Konjunktur schaden könnte. Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank, hat sogar schon erkennen lassen, dass die Fed bereit sei, die Leitzinsen wieder zu senken, sollte das aus konjunkturellen Gründen nötig erscheinen. Zurzeit liegt der Leitzins zwischen 2,25 und 2,5 Prozent. An den Märkten werde, so die Nachrichtenagentur Reuters, mit einer Zinssenkung schon im nächsten Monat gerechnet.
Ein Blick in die Geschichte
Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf eine Studie, die der Think Tank DB Research, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, in diesem Monat veröffentlicht hat. Darin analysieren die Autoren die Geschichte von Wachstums- und Schrumpfungsphasen der amerikanischen Wirtschaft.
Mit Beginn des kommenden Monats, so die Autoren, werde die US-Wirtschaft einen Rekord aufstellen: Noch niemals in der Geschichte habe es eine so lange ununterbrochene Phase wirtschaftlichen Wachstums gegeben. Die Studie blickt dabei auf einen Zeitraum von rund 170 Jahren zurück, in denen die ökonomischen Rahmendaten erhoben und aufgezeichnet werden.
Eine Dynamik wie beim Klimawandel
Dabei zeigt die Erhebung eine Entwicklungsdynamik auf, die so ähnlich auch von der Klimaforschung bekannt ist. Nicht nur werden die wirtschaftlichen Wachstumsphasen länger (oder analog: die Temperaturen höher), die ökonomischen Expansionszeiträume folgen auch immer schneller aufeinander (bei den Klimadaten hieße das: Die Wetterextreme und Unwetterereignisse folgen immer schneller aufeinander). Die Studienautoren stellen fest: "Die letzten vier Wachstumsperioden gehören zu den längsten je aufgezeichneten."
Die beiden anderen Rekord-Perioden seien den Rüstungsanstrengungen im Zweiten Weltkrieg und der verfehlten Wirtschaftspolitik der 1960er Jahre geschuldet, als die Regierung es versäumt habe, die Inflation rechtzeitig zu bekämpfen und den Aufschwung daher künstlich am Leben gehalten habe.
Am Golde hing es ...
Als Wetterscheide der Wachstums- und Rezessionsperiodik machen die Deutsche Bank-Forscher die Abschaffung des Goldstandards aus. Das Bretton-Woods-System, dem die Wirtschaft zwischen 1946 und 1971 unterworfen war, hatte der Wirtschafts- und Finanzpolitik enge Grenzen gesetzt. Der Dollar war zu einem fixen Kurs an das Gold gebunden. Vereinfacht gesagt: Es gab nur so viel Geld, wie es dafür auch Goldreserven gab.
Mit der Abschaffung der Goldbindung konnte (und wurde bald auch) so viel Geld gedruckt und in Umlauf gebracht, wie es konjunkturpolitisch notwendig erschien. Damit wurden Rezessionstendenzen abgeschwächt und hinausgezögert. Diese Zeitenwende fassen die Autoren so zusammen: "Als die Bindungen an das Gold immer schwächer wurden und Abwertungen häufiger auftraten, wurden die Geschäftszyklen immer länger."
Der "reinigende" Effekt einer Rezession fiel nämlich aus. Die reine Lehre des Kapitalismus hat ja auch einen quasi darwinistischen Aspekt: Einer wirtschaftlichen Schwächephase bei einem Schrumpfen der Wirtschaft würden vor allem schwache Unternehmen zum Opfer fallen, gesunde und starke Firmen jedoch überleben und aus der Krise noch stärker hervortreten.
Der Wert der Globalisierung
Bis in die 1970er Jahre habe, so die Studie, der Handel über Grenzen hinweg noch nicht eine so entscheidende Rolle gespielt wie heute. Im Gegenteil: "Vor den Siebzigern war der Anteil des globalen Handels (am BIP) nicht viel größer gewesen als in der Periode hundert Jahre zuvor." Das habe sich aber gründlich geändert, so die Autoren, die darlegen, wie groß der Anteil des globalen Handels am Bruttoinlandsprodukt des USA seit den 1980er Jahren geworden ist.
Chinas sukzessive "Reintegration" in den globalen Handel, nachdem das Land jahrhundertelang isoliert gewesen war, habe auch dazu beigetragen, dem Welthandel einen enormen Anstoß zu geben. Der globale Handel sei gerade gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts immer mehr in Schwung gekommen und habe für höhere Wachstumsraten und eine deutlich geringere Inflation gesorgt.
Droht ein Ende mit Schrecken?
Sieht man auf die wichtige Rolle, die der Welthandel auch für die amerikanische Wirtschaft hat, lässt eine weitere Meldung, die in der vergangenen Tagen über den Ticker kam, aufhorchen. Demnach werde der von den USA vom Zaun gebrochene Handelskonflikt mit China immer mehr zur Belastung für den weltweiten Handel. Das "Global Trade Barometer" (GTB) der DHL, die Deutsche-Post-Tochtergesellschaft wertete dazu internationale Logistik-Daten aus, deutet mit einem Minus von acht Punkten auf einen Rückgang des Welthandels für die kommenden drei Monate hin.Sowohl die Indexwerte für See- als auch für Luftfracht verschlechterten sich demnach. Den höchsten Rückgang eines einzelnen Landes würden dabei die USA verbuchen, für die größte Volkswirtschaft der Welt sänke der Ausblick um elf Punkte. China verbuchte ein Minus von sieben Punkten.
Grund seien negative Erwartungen für die wichtigsten Exportkategorien. Rückläufige Importe und nur schwaches Exportwachstum seien der Hintergrund. Der Indexwert für Deutschland sank in der Studie nur minimal.
Auch der US-Konzern FedEx hatte in dieser Woche erklärt, der Konflikt belaste seinen Ausblick für 2020. Das Unternehmen gilt wie sein heimischer Rivale UPS als Barometer der US-Wirtschaft, da es Waren aus den verschiedensten Branchen befördert.
Schließlich sei noch auf ein weiteres Ergebnis der DB-Research-Studie hingewiesen: "Interessant" fanden die Autoren nämlich, dass sich die bislang längste Wachstumsphase der US-Wirtschaftsgeschichte vor allem im Wachstum von Vermögenswerten widerspiegele. Was das reine wirtschaftliche Wachstum anbelange, sei dieser Rekord-Zyklus aber "einer der schwächsten".