Tritt US-Botschafter Richard Grenell ab?
24. Mai 2020Richard Grenell wird möglicherweise seinen Botschafterposten in Deutschland in Kürze aufgeben. Spekuliert wird, dass Grenell zunächst US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf unterstützen könnte. An diesem Sonntag lobte der Präsident seinen Botschafter jedenfalls geradezu überschwänglich für dessen Arbeit als kommissarischer Geheimdienstkoordinator in den USA . "Richard Grenell ist ein Superstar", sagte Trump in einem Fernsehinterview. Was Grenell für das Land getan habe, sei unglaublich. "Er hat einen der besten Jobs gemacht, den ich je gesehen habe."
Der 53-Jährige war im Februar überraschend von Trump nach Washington berufen worden, um vorübergehend den Posten des Geheimdienstkoordinators zu übernehmen. Hintergrund war, dass der bis dahin ebenfalls geschäftsführende Koordinator Joseph Maguire bei Trump in Ungnade gefallen war und zurücktrat, weswegen eine schnelle Zwischenlösung gefunden werden musste. Am Donnerstag bestätigte der Senat nun den Kongressabgeordneten John Ratcliffe als neuen, permanenten Koordinator für die 17 Geheimdienste. Am kommenden Dienstag wird er vereidigt.
Weißes Haus lehnt Kommentar ab
Schon im Februar hatte das US-Online-Magazin "The Daily Wire" berichtet, Grenell habe dem Weißen Haus seine Absicht mitgeteilt, als Botschafter in Deutschland zurückzutreten. Eine offizielle Bestätigung gab es damals allerdings weder vom Weißen Haus noch aus der diplomatischen Vertretung in Berlin.
Bei dieser Linie blieb die Botschaft auch an diesem Sonntag. Sie könne die Berichterstattung über den Abtritt Grenells "aktuell nicht bestätigen", sagte Grenells Sprecherin der "Rheinischen Post". Es sei Richtlinie der US-Botschaft, keine Kommentare zu Reisen oder Zeitplänen des Botschafters abzugeben.
Grenell vertritt die USA seit zwei Jahren in Deutschland und sorgte in dieser Zeit - ganz auf der Regierungslinie Trumps - auf äußerst undiplomatische Weise immer wieder für Unmut im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt. Aus der Opposition kamen gar vereinzelt Forderungen, Grenell zur "unerwünschten Person" zu erklären und quasi auszuweisen.
Drohte mit US-Sanktionen, Truppenabzug...
So warnte er deutsche Unternehmen davor, mit dem Iran zusammenzuarbeiten. Deutschlands Militäretat befand Grenell zu gering und drohte damit, US-Soldaten aus der Bundesrepublik abzuziehen. Außerdem wetterte er gegen das deutsch-russische Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 und brachte Sanktionen gegen deutsche Firmen ins Gespräch. Auch in der Diskussion um die 5G-Netz-Ambitionen des chinesischen Telekomriesen Huawei in Europa mischte er mit.
Grenell lebt in seiner Residenz in Berlin-Dahlem mit seinem langjährigen Partner zusammen und setzt sich auch als Botschafter sehr aktiv für die Rechte von Schwulen und Lesben ein.
Falls Grenell tatsächlich seinen Posten räumen sollte, würde die Amtsgeschäfte voraussichtlich vorübergehend Robin Quinville übernehmen. Sie ist seit Juli 2018 Gesandte an der Botschaft und damit Stellvertreterin Grenells.
se/uh (dpa, rtr, afp)