Hariri-Attentat: Hisbollah und Syrien entlastet
18. August 2020Das von den Vereinten Nationen (UN) unterstützte Sondertribunal für den Libanon kommt zu dem Ergebnis, dass es keine Beweise für eine Verwicklung der Hisbollah-Führung oder der syrischen Regierung gebe. Zwar hätten beide womöglich Motive gehabt, den damaligen Regierungschef Rafik Hariri aus dem Weg zu räumen, erklärte der vorsitzende Richter David Re bei der Urteilsverkündung. Aber für eine Beteiligung der Hisbollah und Syriens gebe es keine Belege, heißt es in der 2600 Seiten umfassenden Begründung. Das Gericht tagte in Leidschendam, einem Vorort von Den Haag in den Niederlanden.
Gleichwohl wurde ein mutmaßliches Mitglied der Hisbollah-Miliz schuldig gesprochen. Der 56-jährige Salim Ajjasch wurde als Mittäter des Mordanschlags auf Hariri verurteilt, wie Richter Re verkündete. Das Strafmaß werde zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Anklagebank blieb allerdings leer. Denn die vier Beschuldigten sind flüchtig und hatten auch keinen Kontakt zu ihren vom Gericht bestellten Verteidigern.
Attentäter riss 22 Menschen mit in den Tod
Hariri und 21 weitere Personen waren am 14. Februar 2005 durch einen Autobombenanschlag in der Hauptstadt Beirut getötet worden. 226 Menschen erlitten Verletzungen. Der Terror-Anschlag war einer der schwersten in der Geschichte des Libanon: Fast 3000 Kilogramm Sprengstoff sollen die Attentäter eingesetzt haben.
Der damalige libanesische Regierungschef gehörte der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten an. Er galt als Bedrohung für die Einflussmöglichkeiten des Iran und Syriens im Libanon. Die vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Organisation hat jede Verwicklung in das Attentat stets bestritten. Syrien war nach dem Attentat allerdings gezwungen, seine Truppen aus dem Libanon abzuziehen.
Im Gerichtssaal anwesend war auch Rafik Hariris Sohn Saad Hariri, der nach dem Tod seines Vaters selbst einige Jahre Ministerpräsident des Libanons war. Rafik Hariri, ein schwerreicher Geschäftsmann, genießt bis heute bei vielen Libanesen großes Ansehen. Er spielte beim Wiederaufbau des Landes nach 15 Jahren Bürgerkrieg eine zentrale Rolle.
Verfahren dauerte sechs Jahre
Mit dem Urteil geht ein Verfahren zu Ende, das Rechtsgeschichte geschrieben hat. Sechs Jahre lang war in Leidschendam verhandelt worden. Das teure und aufwendige Verfahren ist der erste Terrorismus-Prozess eines internationalen Tribunals. Allerdings fristete er wegen der Abwesenheit der Angeklagten ein Schattendasein.
Das Urteil sollte eigentlich schon vor anderthalb Wochen verkündet werden. Wegen der Explosionskatastrophe in Beirut mit mehr als 170 Toten und tausenden Verletzten hatte das Gericht die Urteilsverkündung verschoben. Richter Re rief die Anwesenden im Gerichtssaal zu Beginn der Verhandlung zu einer Schweigeminute für die Opfer der Explosion auf.
ie/sti/cw (rtr, dpa, afp)