Touristen machen Bogen um Paris
28. Dezember 2019Der Dauerstreik im öffentlichen Nah- und Fernverkehr schreckt Frankreich-Touristen zunehmend ab. Denn es ist ein Geduldsspiel, dort von A nach B zu kommen: In Paris blieben Metro-Linien und -Stationen wieder nahezu komplett geschlossen. Auch der Verkehr der Staatsbahn SNCF ist weiterhin eingeschränkt. Mehrere Busdepots wurden von Mitarbeitern blockiert.
Geschäftsleute, Gastronomen und Hoteliers in der Hauptstadt blicken mit Sorge auf die Feiern zu Silvester, die in der Regel ein Millionen-Publikum locken. Nach Angaben der Staatsbahn sollen am 30. und 31. Dezember nur knapp die Hälfte aller TGV-Hochgeschwindigkeitszüge fahren. Am Neujahrstag seien es noch deutlich weniger, heißt es.
Vielen Gästen sei das Risiko zu hoch, in die blockierte Seine-Metropole zu kommen, sagte der Geschäftsführer der Pariser Luxushotels Le Meurice und Plaza Athénée, François Delahaye, der Nachrichtenagentur AFP. Die wohlhabenden Touristen wichen in diesem Jahr eher auf die britische Hauptstadt London oder die US-Metropole New York aus, so Delahaye.
Eine Rezeptionsangestellte eines Hotels in der Nähe des Pariser Fernbahnhofs Gare de Lyon sagte dem Nachrichtensender BFMTV, zurzeit gebe es nur halb so viele Reservierungen wie im Vorjahr. Wegen des Streiks hätten etliche Gäste ihre Buchung storniert.
Der Ausstand vieler Mitarbeiter von Bahn und Nahverkehrsbetrieben gegen die geplante Rentenreform ist nun mit 23 Tagen länger als der große Streik im Winter 1995. Zwischen November und Dezember 1995 hatten französische Gewerkschaften den öffentlichen Verkehr für 22 Tage lahmgelegt. Der damalige Premierminister Alain Juppé hatte versucht, das Renten- und Sozialversicherungssystem zu reformieren. Die Regierung machte schließlich einen Rückzieher.
Im Machtkampf zwischen der jetzigen Regierung unter Präsident Emmanuel Macron und den Gewerkschaften zeichnet sich keine Lösung ab. Eine Streikpause zu den Feiertagen - wie von Macron angeregt - kam nicht zustande. Die Regierung will erst am 7. Januar wieder mit den Sozialpartnern verhandeln.
Vor und nach Weihnachten sind in Frankreich Hunderttausende Menschen unterwegs. Im Vergleich zum Beginn des Ausstands Anfang Dezember nahm die Zahl der streikenden Angestellten der Staatsbahn SNCF indes ab. Nach Angaben der SNCF legten am Donnerstag rund 39 Prozent der Lokführer und 22 Prozent der Kontrolleure die Arbeit nieder. Am ersten Streiktag waren es noch knapp 86 Prozent der Fahrer und 73 Prozent der Schaffner.
Hunderttausende Menschen gingen bisher gegen die Rentenpläne auf die Straße. Die Regierung will die Aufsplitterung in über 40 Rentenkassen beenden und ein Einheitssystem schaffen. Außerdem sollen die Franzosen länger arbeiten: Das Renteneintrittsalter würde faktisch von 62 auf 64 Jahre steigen. Die Regierung bot zwar Übergangsfristen an, den Gewerkschaften reicht das jedoch nicht aus.
jj/ni (dpa, afp)