Kleiner Hoffnungsschimmer in Corona-Zeiten
22. Oktober 2020Es ist fast so schön wie früher am Strandcafé von Aghios Nikitas, an der Westküste der Insel Lefkada: Man starrt auf das türkisblaue Wasser, die Sonne versinkt im Ionischen Meer, aus dem Lautsprecher dröhnt sanfte Rockmusik und der Gin Tonic kostet sechs Euro. Da ist man zufrieden mit sich selbst und der Welt. Barkeeper Kostas ist jedenfalls mehr als zufrieden: "Corona hin oder her, in diesem Sommer war genauso viel los wie auch sonst jedes Jahr, da kann ich mich nicht beschweren", freut sich der junge Mann.
An den Nachbartischen sitzen kaum ausländische Gäste, dafür aber zahlreiche Jugendliche, die mit einem starken westgriechischen Akzent sprechen. Kein Zufall: Vom Festland aus ist Lefkada über einen befahrbaren Damm in wenigen Minuten zu erreichen - ähnlich wie etwa die Insel Poel in Mecklenburg. Damit entfällt die Reise mit dem Schiff, die viele Urlauber in Corona-Zeiten als lästig, wenn nicht sogar gefährlich empfinden. Auch aus diesem Grund gehört Lefkada in diesem Jahr zu den Lieblingszielen der Griechen.
Am Strand ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild: Deutsche, Engländer und Skandinavier sind eindeutig in der Überzahl, für griechische Gemüter ist das Wasser im Oktober wohl zu kalt. Trotzdem zahlt man zehn Euro für zwei Liegen in der Sonne - ein stolzer Preis für die Nebensaison. Dafür ist frischer Fisch immer noch günstig auf Lefkada. Das wissen auch die Gäste aus Nordeuropa zu schätzen, meint Pandelis Pappas, der nicht nur Griechisch, sondern auch astreines Bayerisch spricht. Nach einem 15jährigen Aufenthalt in Deutschland arbeitet Pappas derzeit in einem Fischrestaurant an der Bucht von Syvota, die bei Seglern und Yachtbesitzern beliebt ist.
"Unsere Gäste kommen vor allem aus Deutschland und Österreich, zum Glück ist die Saison gut gelaufen", berichtet der 50Jährige. Trotzdem reicht der Verdienst nicht für das ganze Jahr. Im vergangenen Winter konnte Pappas in einem Restaurant in der Nähe von München kellnern und ein bisschen dazu verdienen. Ob es auch in diesem Jahr klappt mit dem Nebenverdienst, bleibt abzuwarten.
Polynesien lässt grüßen
Alles bestens auf Lefkada? Manolis Thermos, Chef des örtlichen Hotelverbands, zeichnet ein differenziertes Bild: Ja, die Saison sei relativ gut gelaufen, aber davon würden vor allem Restaurantbesitzer, Frühstückspensionen und private Zimmervermieter profitieren. Dagegen seien einige Großhotels, die mit ausländischen Tour-Operators zusammenarbeiten, nur zu 20 Prozent belegt, klagt Thermos. Andererseits: "Es hätte viel schlimmer kommen können. Lamentieren will ich nicht - vor allem wenn ich höre, dass auf der Nachbarinsel Zakynthos fast alle 1000 Hotelbetten derzeit leer stehen", erklärt Thermos im Gespräch mit der DW.
Im Idealfall würden Hoteliers in ganz Griechenland die Saison verlängern, um noch mehr Gäste unterzubringen. Aufgrund mangelnder Infrastruktur ist das aber nicht so einfach. Beispiel Lefkada: Im Sommer bieten sämtliche Fluggesellschaften Direktflüge aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden in die nahe gelegene Provinzhauptstadt Preveza an, allerdings ist der letzte Flug für den 25.Oktober geplant. Dann muss der Regionalflughafen schließen. Das bedeutet weniger Kundschaft.
Gezielte Angebote
Manolis Thermos gibt sich dennoch optimistisch, dass seine Insel gegensteuern kann: "In den letzten Jahren setzen wir verstärkt auf Sport- und Segeltourismus und dürfen deshalb bereits ab Februar die ersten Gäste aus dem Ausland empfangen; viele von ihnen fliegen nach Athen und kommen dann mit dem Auto angereist", meint Thermos. "Polynesien" nennen Einheimische das Seegebiet östlich von Lefkada, das mit seinen traumhaften grünen Inseln und Buchten Segler und Gleitschirmflieger aus aller Welt anlockt. Berühmtheit erlangte die Region in den sechziger Jahren, als Reeder-Tycoon Aristoteles Onassis die Insel Skorpios erwarb und dort sein privates Urlaubsparadies einrichten ließ. Heute gehört die Insel dem russischen Milliardär Dimitri Rybolowlew.
Auch zu Deutschland hat Lefkada eine besondere Verbindung: Jahrelang forschte dort der Archäologe Wilhelm Dörpfeld, ein Weggefährte Heinrich Schliemanns bei der Ausgrabung Trojas. Er war der festen Überzeugung, die Insel sei das mythische Ithaka, Heimat des altgriechischen Helden Odysseus. Dafür gibt es bis heute allerdings keinen wissenschaftlichen Beleg. Dörpfeld wurde am Ort Nydri im Osten der Insel begraben. Seinen Namen trägt heute die Haupteinkaufsstraße der Insel - und auch die Deutsche Schule in Athen.
Wenn die Erde bebt…
Wie der nächste Sommer auf Lefkada aussehen wird, könne man kaum voraussagen, meint der Chef des örtlichen Hotelverbands. Auffallend sei jedenfalls, dass ausländische Tour-Operators noch zögerten, ins Geschäft zu kommen. Zu groß sei die Angst vor Corona. Dabei hätten die Lokalbehörden im Sommer nur 20 Corona-Infektionen registriert, die unkompliziert verliefen, versichert Manolis Thermos. Wie vorgeschrieben seien die betroffenen Gäste in ein Quarantäne-Hotel eingewiesen worden.
Immerhin haben die Menschen auf Lefkada Schlimmeres erlebt. Denn nirgendwo sonst in Hellas bebt die Erde so häufig und so stark. Zuletzt hatte 2015 ein Erdbeben der Stärke 6,5 auf der Richterskala die Insel heimgesucht. Dabei waren zwei Menschen gestorben und viele Häuser zerstört worden. Von herabstürzenden Berghängen verschüttet wurde damals auch der Strand Egremni, einer der schönsten in Griechenland. Erst ab Januar 2021 soll er wieder zugänglich sein.