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Tour der Berge

Joscha Weber22. Oktober 2014

Die 102. Tour de France wartet mit einer Botschaft auf: Es soll ein Bergfahrer gewinnen. Nur ein kurzes Zeitfahren, dafür sieben Hochgebirgsetappen - die Große Schleife 2015 verspricht Spannung.

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Bildergalerie 100. Tour de France
Bild: picture-alliance/dpa

Es gibt einen Ort, da können sie den Tour-Start kaum noch abwarten: Im niederländischen Utrecht herrscht schon jetzt Tour-Euphorie. Am Start-Ort der Tour de France 2015 spielt das Fahrrad eine wichtige Rolle: Jeder dritte Weg innerhalb der Stadt wird mit dem Rad zurückgelegt - weit mehr als in vielen anderen Städten. Einer, der fast jeden Weg mit dem Rad zurücklegt, ist Joost van Waert. Der 60-Jährige ist begeisterter Radsportler und fiebert dem Tourstart am 4. Juli 2015 entgegen: "Ich freue mich riesig auf die Tour, das wird ein Fest", sagte van Waert, der es sich nehmen ließ, den Zeitfahrparcours der ersten Etappe schon einmal abzufahren. "Ich bin morgens um 5 Uhr gestartet, weil da wenig Verkehr ist und bin dann vollgas durch meine Stadt gerast", berichtete der Radfahrer des "Fietsclub Ledig Erf" mit einem Grinsen im Gesicht. Nicht ohne Stolz sagte er, dass er mit 23:28 Minuten für eine kurze Zeit sogar die Bestzeit für die Zeitfahrstrecke auf der Internetplatform Strava hielt.

Zwischen Zweifeln und neuer Glaubwürdigkeit

Bei der Präsentation der Tour de France am Mittwoch in Paris unterstrich auch Utrechts Bürgermeister Jan van Zanen die große Vorfreude seiner Stadt auf die Tour: "Wir haben eine große Leidenschaft für das Fahrrad in Utrecht - im Alltag und im Sport. Die Tour ist willkommen". Das wird Tour-Chef Christian Prudhomme gerne gehört haben. Schließlich versucht das Rennen seit Jahren (und seit kurzem auch wieder mit einigem Erfolg), zerstörtes Vertrauen in den Radsport wiederherzustellen. Einerseits sehen auch schärfste Kritiker den in der Vergangenheit stark dopingbelasteten Sport heute wieder als etwas glaubwürdiger an. Andererseits sorgten zuletzt gleich drei Dopingfälle im Team von Toursieger Vincenzo Nibali für erneute Zweifel.

Keinen Zweifel lässt die Tour-Direktion bei der Frage, welcher Fahrertyp die nächste Tour de France gewinnen soll: Es wird ziemlich sicher ein Bergfahrer. Die Kletterer dürfen sich auf sieben Hochgebirgsetappen in den Pyrenäen und Alpen freuen, während die Zeitfahrspezialisten in die Röhre gucken: Nur das eine Zeitfahren zum Auftakt in Utrecht, das gerade einmal 14 Kilometer lang ist - Zeitfahr-Spezialist Tony Martin aber eine große Chance bietet: "Das große Ziel für 2015 ist, beim Auftakt um das Gelbe Trikot mitzukämpfen und es möglichst lange zu verteidigen. Die Vorfreude bei mir ist jetzt schon groß", sagte der 29-Jährige. Die Entscheidung der Tour wird sich aber in den Bergen abspielen. Besonders im Fokus: die Ankunft im Kult-Ort L'Alpe d'Huez auf der vorletzten Etappe. Tour-Chef Prudhomme erklärt die strategische Ausrichtung der Strecke: "Heute entstehen im Zeitfahren meist die größten Zeitabstände, die viel klarer sind als in den Bergen." Und große Zeitabstände bedeuten Langeweile, so das Kalkül der Veranstalter.

Kopfsteinpflaster soll für Spannung sorgen

Damit diese bloß nicht aufkommt, hat sich die Tour-Organisation ASO auch wieder eine besondere Etappe im Flachland ausgesucht, auf der zumindest eine Vorentscheidung fallen könnte: Auf dem vierten Teilstück von Seraing nach Cambrai muss das Tour-Peloton wieder über die gefürchteten Kopfsteinpflaster-Wege Belgiens und Nordfrankreichs. Jene vom Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix bekannten Rüttelpisten haben im Vorjahr Titelverteidiger Chris Froome nach einem Sturz zur Aufgabe gezwungen und Mitfavorit Alberto Contador viel Zeit gekostet. Nur der spätere Toursieger Vincenzo Nibali fuhr im Wald von Arenberg ein souveränes Rennen - und legte somit den Grundstein zu seinem Triumph in Paris.

Insgesamt 3344 Kilometer müssen die Radprofis zurücklegen und damit etwas weniger als im Vorjahr (3660,5 Kilometer). Die 102. Tour de France, die am 27. Juli auf den Champs Elysées endet, könnte dabei wieder zwei deutsche Teams einladen: Neben dem Team Netapp, das 2014 bereits dabei war und ab kommender Saison Team Bora heißen wird, erwägt der bisher niederländische Giant-Rennstall um Sprint-Star Marcel Kittel nach dem Einstieg des deutschen Sponsors Alpecin eine deutsche Lizenz zu beantragen. Eine Einladung von zwei deutschen Teams wäre die Art Anschubhilfe für den deutschen Radsport, die Tour-Chef Prudhomme im vergangenen Winter im DW-Interview angedeutet hatte.