Tote bei Protesten nach Anschlag in Kabul
2. Juni 2017Die Demonstranten trugen Plakate mit Parolen gegen die USA, Pakistan und die afghanische Regierung. Sie warfen Präsident Aschraf Ghani Versagen vor und nichts zu unternehmen, um den Terror in Kabul zu stoppen, der in den vergangenen Monaten hunderte zumeist zivile Opfer gefordert hat. Auch der Innenminister, die Leiter des Sicherheitsrats und die Chefs des Nachrichtendienstes wurden zum Amtsverzicht aufgefordert.
Polizei stoppt Marsch zum Präsidentenpalast
Zudem verlangten die Demonstranten die Hinrichtung von Mitgliedern der Taliban und ihrer Verbündeten aus dem islamistischen Hakkani-Netzwerk, die für den jüngsten Anschlag im Kabuler Botschaftsviertel verantwortlich gemacht werden.
Als die Demonstranten versuchten, zum Präsidentenpalast zu marschieren, ging die Polizei mit Wasserwerfer und Tränengas gegen sie vor. Zudem schossen die Einsatzkräfte in die Luft. Bei den Zusammenstößen sollen laut Angaben einer von Italien betriebenen Unfallklinik in Kabul mindestens vier Menschen ums Leben gekommen sein, "mehrere" wurden verletzt.
Zweiter Wachmann der deutschen Botschaft gestorben
Unterdessen stieg die Zahl der Opfer des Selbstmord-Anschlags vom Mittwoch auf mehr als 100, die Zahl der Verletzte auf 600. Unter anderem erlag ein zweiter afghanischer Wachmann der deutschen Botschaft seinen schweren Verletzungen, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Die deutsche Botschaft wurde bei dem Attentat schwer beschädigt und bleibt bis auf weiteres für den Besucherverkehr geschlossen.
Noch immer ist unklar, wie der Tanklaster, der für den Anschlag mit einem 1.500 Kilogramm schweren Sprengsatz bestückt worden war, bis zum Sanbak-Platz im Herzen Kabuls kommen konnte. Dort befindet sich neben vielen ausländischen Botschaften auch der Präsidentenpalast. Auf allen Routen, die in die Innenstadt Kabuls führen, gibt es mehrere Straßensperren, an denen alle Fahrzeuge kontrolliert werden. Trotzdem konnte einer der schwersten Terroranschläge in Kabul seit dem Sturz der Taliban 2001 nicht verhindert werden. Die Autobombe riss einen vier Meter tiefen Krater in den Boden.
Präsident Ghani ordnet Hinrichtungen an
Der afghanische Geheimdienst NDS hat das mit den Taliban verbündete Hakkani-Netzwerk und den pakistanischen Geheimdienst ISI als Drahtzieher des Anschlags ausgemacht. Dagegen wiesen die Taliban eine Beteiligung zurück. Präsident Ghani ordnete am Donnerstag an, elf Häftlinge aus den Reihen der Taliban und des Hakkani-Netzwerks hinzurichten.
Als Reaktion auf den Anschlag hat die Bundesregierung auf Drängen der SPD Abschiebungen nach Afghanistan weitgehend ausgesetzt. Das Auswärtige Amt werde bis Juli eine neue Lagebeurteilung vornehmen, teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder mit. Sogenannte Gefährder und Straftäter sollen aber weiter abgeschoben werden.
ww/kle (afp, epd, dpa, rtr)