Familiendiktatur in Endlosschleife?
22. Februar 2020Mit lauter Musik fährt ein kleiner LKW durch das Viertel Kodjoviakopé im äußersten Südwesten von Lomé, der Hauptstadt von Togo. Zwei Dutzend junge Frauen und Männer stehen auf der Ladefläche und winken ein paar Passanten zu. Immer wieder rufen sie einen Namen: "Faure! Faure!"
Die jungen Menschen auf dem Fahrzeug, das in den Farben Weiß und Hellblau geschmückt ist, gehören zum Wahlkampfteam von Faure Gnassingbé - Togos Präsident seit 2005. Bei der Wahl an diesem Samstag (22. Februar) will Gnassingbé, der für die Partei Union für die Republik (UNIR) antritt, unbedingt wiedergewählt werden. In Lomé ist er mit riesigen Postern allgegenwärtig, während die sechs Oppositionskandidaten kaum auffallen.
Wähler halten sich bedeckt
Eine der mehr als 3,6 Millionen Wahlberechtigten ist Djabara Moustapha. Sie lebt in Agoé-Zongo, einem dicht besiedelten Viertel im Norden der Hauptstadt. In wenigen Monaten will sie ihr Abitur machen und danach Jura studieren. Sie würde gerne etwas für mehr Gerechtigkeit tun, sagt die 20-Jährige, die ihrer ersten Präsidentschaftswahl entgegen fiebert. "Einfach war es nicht, die Wählerkarte zu erhalten. Jetzt fühlt es sich sehr erwachsen an."
An den künftigen Präsidenten hat sie vor allem einen Wunsch: Er müsse Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. "Selbst mit Hochschulabschluss finden viele keine Stelle", beklagt Djabara. Auch sei Unterstützung für Kinder aus armen Familien dringend notwendig, damit diese zur Schule gehen können. Wen sie wählen will, sagt Djabara jedoch nicht. In der ganzen Stadt halten sich viele Menschen mit ihrer politischen Meinung bedeckt und wollen sich lieber nicht zu Gnassingbé äußern.
Vorwurf: Bevölkerung wird arm gehalten
Togo liegt im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen weit hinten - auf Rang 167 von 189. Seit Jahren klagen etwa Ärzte über ein total unterfinanziertes Gesundheitssystem. Es fehlt an Infrastruktur und vor allem an Perspektiven für die junge Bevölkerung. Knapp 59 Prozent der Einwohner sind unter 25. Und mehr als die Hälfte der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze und haben weniger als 1,90 US-Dollar am Tag zur Verfügung.
Für Professor Roger Folikoue von der Universität Lomé, der politische Philosophie und Rechtsphilosophie unterrichtet, ist das Kalkül. Armut werde vom Staat als Waffe genutzt. "Man lässt die Bevölkerung in Armut leben, damit man sie besser dominieren kann. Denn wer die Armut überwinden will, muss mit dem System kollaborieren."
Für Folikoue ist das einer der Gründe, weshalb die Familie Gnassingbé seit 1967 im Land herrscht. Damit ist Togo das einzige Land Westafrikas, das noch eine Familiendiktatur hat. Gnassingbés Vater, Eyadéma, kam 1967 durch einen Staatsstreich an die Macht und regierte das Land bis zu seinem Tod im Jahr 2005. Weder die kurze Übergangsregierung unter Joseph Kokou Koffigoh Anfang der 1990er Jahre noch die Einführung des Mehrparteiensystems änderten etwas an der Vormachtstellung der Gnassingbés.
In einer von starken Unruhen begleiteten Wahl übernahm 2005 Eyadémas Sohn Faure die Macht in Togo. 2010 und 2015 wurde er jeweils wiedergewählt. Zwar wurde nach andauernden Protesten die Amtszeit des Präsidenten durch eine Verfassungsänderung im Mai 2019 auf zwei Mandate begrenzt. Frühere Mandate werden jedoch nicht angerechnet.
Menschenrechtler: Straffreiheit muss beendet werden
Die politische Macht der Gnassingbés habe bisher außerdem auf Gewalt basiert, sagt der Philosoph Folikoue. Berichte von Amnesty International bestätigen das: Allein seit der letzten Wahl 2015 seien mindestens 25 Menschen bei Demonstrationen ums Leben gekommen. Die Gefängnisse des Landes seien derzeit zu 186 Prozent belegt. Aimé Adi, Landesdirektor von Amnesty in Togo, fordert ein Umdenken bei den Sicherheitsbehörden. "Natürlich schießen nicht alle Soldaten und Polizisten auf Demonstranten, nein. Das ist eine Minderheit. Aber jene, die das machen, müssen zur Verantwortung gezogen werden".
Die Kultur der Straffreiheit bei Polizei und Militär sorge dafür, dass das System in dieser Form erhalten bleibe, sagt Folikoue: "Jene, die die Menschenrechte verletzen, wirtschaftliche Vereinbarungen sowie das Wohlergehen des Volkes, werden geschützt."
Jean-Pierre Fabre, der ewige Herausforderer
Unfaires Verhalten im Wahlkampf hat Anfang der Woche Jean-Pierre Fabre (67), der bekannteste Oppositionskandidat, kritisiert. Vor Journalisten und Parteianhängern spricht er über "gewaltsame Angriffe durch die Regierungspartei" während des Wahlkampfes. In Sotouboua, im Norden des Landes, wo viele Menschen Gnassingbé unterstützen, hätten ihm Anhänger der Regierungspartei zu verstehen gegeben, er habe dort nichts verloren. Schwere Ausschreitungen hat es Beobachtern zufolge bisher aber nicht gegeben.
Fabre tritt für die Nationale Allianz für den Wandel (ANC) bereits zum dritten Mal gegen den Präsidenten an. Bei den vergangenen Wahlen konnte er jeweils rund ein Drittel der Stimmen verbuchen. Anders als beispielsweise Agbéyomé Kodjo, der einst Premierminister war und nun ebenfalls als Oppositionskandidat antritt, hat Fabre nie mit der Regierung kollaboriert. Kodjo ist Kandidat der Patriotischen Bewegung für Demokratie und Entwicklung (MDPP).
Die Opposition ist zersplittert
Im Vorfeld war es der Opposition nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Die Opposition, die sich 2017 noch zu der Koalition C14 zusammengeschlossen hatte, ist wie so oft in der Geschichte Togos zersplittert. Teilweise wird sogar zum Boykott der Wahlen aufgerufen.
Doch die Zersplitterung könnte auch Vorteile haben. Denn jeder der insgesamt sechs Herausforderer darf einen Vertreter in jedes der 9389 Wahllokale schicken. Damit stehe die Regierungspartei vermehrt unter Beobachtung und könne weniger manipulieren, sagt David Dosseh, Sprecher der Bürgerrechtsbewegung Togo Debout. Er gehe davon aus, dass der Präsident mit allen Mitteln versuche, zu gewinnen.
Menschenrechtler Aimé Adi wünscht sich in erster Linie einen sachlichen Wahlkampf. Der habe vor allem durch die sozialen Medien neue Dimensionen bekommen. Vieles würde sich mittlerweile um das Privatleben der Kandidaten drehen. "Man vergisst das Wesentliche, das Programm der Kandidaten", bedauert Adi.