TikTok-Verbot in den USA - was steht auf dem Spiel?
3. Januar 2025TikTok ist weiter gefragt. So zumindest berichtet es Sven Oechler. Der 25-Jährige leitet die Agentur Pro & Me in Berlin. Mit seinem 20-köpfigen Team erarbeitet er für große Firmen Strategien für die Social-Video-Plattform. "Ich denke, größere Bedenken wird es erst geben, sobald in den USA eine endgültige Entscheidung gefällt und umgesetzt wurde", so Oechler gegenüber der DW.
In den USA ist TikTok erheblich unter Druck. Bis zum 19. Januar muss der chinesische Mutterkonzern Bytedance seinen amerikanischen Ableger von TikTok verkaufen, sonst wird er aus den App-Stores in den USA verbannt. So hat es der US-Kongress im April 2024 beschlossen. Die Begründung: Das chinesische Mutterunternehmen ByteDance unterliege dem Einfluss der chinesischen Regierung und könne deshalb sensible Daten von US-Bürgern an Peking weitergeben. ByteDance hingegen beruft sich auf die Meinungsfreiheit und hat das Oberste Gericht in den USA eingeschaltet. Am 10. Januar soll im Supreme Court eine Anhörung stattfinden.
Wie viel China steckt in TikTok?
Auf seiner Webseite streitet ByteDance einen direkten Einfluss Pekings auf seine US-Tochter TikTok ab. Zwar halte die chinesische Regierung ein Prozent eines chinesischen Ablegers von ByteDance (Douyin Information Service Co., Ltd.) - das sei aber nach chinesischer Gesetzgebung normal und habe "keine Auswirkungen auf die weltweiten Aktivitäten von ByteDance außerhalb Chinas, einschließlich TikTok", so schreibt es das Unternehmen auf seiner Webseite. Nachfragen der DW ließ ByteDance unbeantwortet.
Laut Berichten der Financial Times von Mitte 2024 sind die Verflechtungen zwischen Peking und dem US-Ableger von TikTok aber zuletzt eher gewachsen. Die Zeitung zitiert einen vorherigen Mitarbeitern mit den Worten: "Da ist diese Fassade, die Unternehmen seien aufgeteilt. In Wahrheit sind ein und dasselbe."
ByteDance wurde in Peking von den damals noch jungen IT-Studenten Zhang Yiming und Liang Rubo 2012 gegründet. Das Unternehmen wuchs rasant und der federführende Yiming gilt zwischenzeitlich als der reichste Chinese. Doch 2021 zog er sich überraschend aus der Geschäftsführung zurück, seinen Posten übernahm der aus Singapur stammende Shou Chew. Bei einer Anhörung im US-Kongress im März 2023 ließ Chew Fragen nach dem Ursprung von ByteDance unbeantwortet. Er sagte lediglich, dass ByteDance eine in China gegründete Firma sei, sich aber mittlerweile als globales Unternehmen verstehe.
Laut dem Digitalberater John Strand gibt es aber kaum Zweifel: "TikTok ist eine chinesische Plattform und im Grunde genommen sind alle Daten, die irgendwo auf chinesischer Software oder Hardware erzeugt werden, nach chinesischem Recht jederzeit und aus jedem Grund für die chinesische Regierung verfügbar", so Strand gegenüber der DW.
Politischer Einfluss per Algorithmus?
TikTok ist mittlerweile auf der ganzen Welt zu einem einflussreichen politischen Medien geworden - vor allem für die jüngeren Wähler. Die USA sind nicht die ersten, die ein Verbot der Plattform anstreben. In Indien wurde TikTok bereits 2020 verboten - auch hier wegen Sicherheitsbedenken.
In Rumänien wird TikTok erheblicher Einfluss auf die mittlerweile annullierte Präsidentschaftswahl zugerechnet. Der konkrete Verdacht: Russland könnte zugunsten des pro-russischen und ultrarechten Politikers Calin Georgescuin über TikTok in den Wahlkampf eingegriffen haben. Die Europäische Union hat deshalb bereits ein Verfahren eingeleitet.
Und im EU-Beitrittskandidaten Albanien gilt seit Ende 2024 ein einjähriges Verbot der Plattform - allerdings nicht wegen politischer Einmischung sondern aus Gründen des Jugendschutzes, nachdem sich Jugendliche dort auf TikTok zu einer Messerstecherei verabredet hatten. "Es wäre naiv zu denken, dass es in Europa nicht zu weiteren TikTok-Verboten kommen könnte", sagt Sven Oechler von der Social-Media -Agentur Pro & Me. Er beobachtet die Entwicklungen deshalb sehr genau.
Bereits seit einiger Zeit ist TikTok auch auf Dienstgeräten von Mitarbeitenden der Europäischen Union verboten. Auch deutsche Politiker können auf Diensthandys die App nicht mehr installieren. Ähnliche Maßnahmen gibt es in vielen weiteren Ländern(Siehe Grafik). "Wir gehen davon aus, dass Trumps Entscheidung bezüglich der Zukunft von TikTok in den USA großen Einfluss auf die EU haben wird", sagt Digitalexperte John Strand, der seit 1995 die Technologiebranche beobachtet.
Wie wichtig sind die USA für TikTok?
TikTok erfreut sich in den USA großer Beliebtheit. Insgesamt ist mit rund 170 Millionen Nutzern jede zweite Amerikanerinnen und Amerikaner auf der App und konsumiert darüber auch Nachrichten. Das Verbot könnte den Zugang zu der Plattform schnell beenden und für TikTok auch massive finanzielle Schäden verursachen. Auch eine Anfrage der DW nach der Bedeutung des US-Markts ließ ByteDance unbeantwortet.
Laut John Strand macht der US-Markt nur 15 Prozent des Gesamtumsatzes von ByteDance aus. "Das größere Problem für das Unternehmen ist aber der Gesichtsverlust, wenn sie gezwungen werden, eines ihrer Kronjuwelen zu verkaufen." Auch US-amerikanische Investoren wären von einem Verbot in den USA betroffen, denn rund 60 Prozent des Konzerns sind in den Händen von Investmentgesellschaften, von denen viele aus den USA und Japan stammen. Darunter ist beispielsweise auch Jeff Yass, einer der Hauptinvestoren von TikTok und ein großzügiger Parteispender der Republikaner.
Tauziehen um TikTok
Ob es an einflussreichen Spendern liegt, oder daran, dass Donald Trump während des Wahlkampfes viele junge Wähler auf TikTok erreicht hat: Der designierte US-Präsident hat seine Meinung zu TikTok anscheinend geändert. War er in seiner erstem Amtszeit ein erklärter Gegner der Plattform und wollte sie verbieten, appellierte er jüngst an den Supreme Court, das Gesetz auszusetzen. Er könne die Plattform mit Verhandlungen retten und zugleich eine Lösung für die Sicherheitsbedenken der US-Regierung finden.
Erste Gespräche hat er dazu wohl schon geführt. So hatte er er Ende 2024 Besuch in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago von TikTok CEO Shou Chew. Doch noch ist unklar, wie Trump das Verbot - sollte es am 19. Januar in Kraft treten - rückgängig machen will. Denn auch seine Republikaner stimmten damals mit den Demokraten dafür.
Der Digitalberater John Strand geht gegenüber der DW dennoch davon aus, dass Donald Trump erheblichen Einfluss auf die Zukunft der Plattform in den USA haben wird. "Entgegen vieler Berichte glaube ich aber nicht, dass Trump seine Meinung gegenüber TikTok geändert hat. Der Krieg gegen die Plattform hat während seiner ersten Amtszeit begonnen. Er will jetzt die Anerkennung für eine Lösung für sich deklarieren", so Strand, der seit 1995 den Technologiesektor beobachte.
Wie das Rennen für TikTok in den USA ausgeht, ist also weiter unklar. Für Sven Oechler von Pro & Me steht aber auch fest: Ein mögliches Verbot des US-Diensts bietet für so manchen seiner deutschen Kunden sogar erstmal Vorteile: Noch konkurrieren sie häufig mit US-Influencern in den TikTok-Vorschlagslisten der App. Sollten die wegfallen, könnten deutsche Postings also häufiger weiter oben landen.