"The Interview": eine Geschichte wie im Film
4. Februar 2015Eine Hackergruppe drohte Sony Pictures und den USA mit einem neuen 11. September und traf damit einen Nerv. Die Hacker hatten aber keine Verbindungen zu islamistischen Terrorzellen, sondern kamen aus Nordkorea. Ein Duell wie bei Tom und Jerry: Es schien zunächst fast so, als hätte der Kleinere die Nase vorn und würde den Giganten mit einem gezielten Schlag ausknocken. Es war eine Attacke auf einen der wichtigsten Zweige der USA: die Unterhaltungsindustrie, ein Markt mit Milliardengewinnen. Nordkorea wollte die Veröffentlichung eines US-Films verhindern.
Was war geschehen?
In der Komödie "The Interview" bekommen der Produzent und der Moderator einer amerikanischen Promi-Talkshow die Möglichkeit, den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un zu interviewen. Kurz vor ihrer Abreise erhalten sie von der CIA den Auftrag, den Diktator umzubringen. Am Ende des Films ist der Diktator tot und die beiden Amerikaner werden als Helden gefeiert.
Schon im Sommer hatte sich Nordkorea mehrfach offiziell bei der UN über den geplanten Film beschwert. Die Ermordung eines amtierenden Staatschefs, wenn auch nur im Film, sei eine "Kriegshandlung" und eine "unverhohlene Unterstützung von Terrorismus". Es gab keine Reaktion. Im November, wenige Wochen vor dem geplanten Filmstart, wurden die Computer der Produktionsfirma von der Hackergruppe "Guardians of Peace" attackiert. Sie erbeuteten interne E-Mails und mehrere bislang unveröffentlichte Filmproduktionen. Damit wollten sie Sony erpressen und verhindern, dass "The Interview" veröffentlicht wird. Es gab wieder keine Reaktion.
Erst als die "Guardians of Peace" eine Woche vor der geplanten Kinoveröffentlichung die 11. September-Drohung aussprachen, schreckte Sony Pictures zurück. Die Filmfirma gab bekannt, dass sie "The Interview" unter diesen Umständen nicht veröffentlichen werde. Erst nach massiver Kritik von Regisseuren, Schauspielern und nicht zuletzt von US-Präsident Barack Obama unternahm Sony den Rückzug vom Rückzug. Am 25. Dezember startete der Film in den USA, allerdings nur in 300 statt in den ursprünglich geplanten 3000 Kinos. Die meisten Kinobetreiber wollten den Film nicht zeigen. 2012 hatte es bei der Premiere eines Batman-Films in Colorado ein Attentat mit zwölf Toten und mehr als 50 Verletzten gegeben. Die Angst vor einem Anschlag war bei den meisten zu groß.
Ein Stoff wie aus einem Hollywoodfilm
Es folgten weitere Drohungen von Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un. Über einen Sprecher teilte er mit, dass sich Obama "wie ein Affe in einem Urwald" verhalte. Die USA reagierte mit weiteren Sanktionen. Am Ende haben Nordkoreas Drohungen nur eines bewirkt: dem Film mehr Erfolg und Aufmerksamkeit zu garantieren als er vermutlich je bekommen hätte - denn die Komödie "The Interview" wurde plötzlich zu einem politischen Symbol für die Meinungsfreiheit.
Besonders die Online-Veröffentlichung geriet zum großen Coup. Zeitgleich zum Kinosstart bot Sony den Film im Internet auch als Stream und Download an. Mit Erfolg: Insgesamt spielte der Film online über 40 Millionen Dollar ein.
Sony sitzt die Sache aus
Böse Zungen vermuten dahinter eine Marketingstrategie. Das lässt sich natürlich nicht belegen. Allerdings haben die Filmemacher bewusst provoziert, indem sie den Mord an Nordkoreas Diktator Kim Jong Un inszenierten. "Würden Merkel, Obama oder Hollande so dargestellt werden, wäre die Aufregung in deren Ländern sicherlich ähnlich groß", schätzt Nordkorea-Experte Rüdiger Frank die Situation im Stern-Interview ein. "Allerdings muss man den Filmemachern zugute halten, dass auch die USA und die CIA ihr Fett abbekommen." Sony äußert sich dazu nicht. Seit der Veröffentlichung des Films gibt es auch auf DW-Anfrage keine offiziellen Kommentare mehr.
Slapstick zur Berlinale
Nun kommt "The Interview" auch hierzulande in die Kinos. Aber auch der deutsche Start wurde zunächst von einer skurrilen Drohung überschattet: Die nordkoreanische Regierung drohte der Berlinale "gnadenlose Bestrafung" an, weil sie annahm, der Film würde dort laufen. Er wird jedoch gar nicht im Rahmen des Festivals gezeigt. Der nordkoreanische Botschafter entschuldigte sich inzwischen für das Missverständnis.