"The Crown 4": Queen, Thatcher und Lady Di
14. November 2020Eine Tür öffnet sich, hindurch geht Lady Di. Draußen empfängt sie das Blitzlichtgewitter der Fotografen. Diese in den Trailer zur vierten Staffel der Netflix-Serie "The Crown" integrierte Szene trägt den vielversprechenden Titel "Veränderung". Eine Veränderung, die auch die untergelegte Musik andeutet. Nach einem langen instrumentalen Intro ertönen die Zeilen "I am the son and the heir of a shyness that is criminally vulgar" (auf Deutsch in etwa: "Ich bin der Sohn und der Erbe einer Schüchternheit, die verbrecherisch ordinär ist") aus dem The Smiths Song "How Soon is Now" von 1984. In der Trailer-Version von AG Ft. Dresage werden die Zeilen von einer weiblichen Stimme gesungen.
Und das passt: Denn die Frauen stehen im Zentrum dieser neuen Staffel von "The Crown", die an diesem Sonntag startet. Dass es darin nicht mehr nur um die englische Queen und ihre Schwester Prinzessin Margaret gehen wird, hat der Trailer bereits deutlich gemacht. Er setzt ein mit einem Schlagabtausch zwischen der "Älteren" Margaret Thatcher und der um wenige Monate jüngeren Queen Elizabeth. Selbstbewusst bekundet die später als "Eiserne Lady" in die Geschichtsbücher eingegangene, gerade zur Premierministerin gewählte Thatcher in diesem Gespräch, dass ein harmonisches Verhältnis zur Queen nicht ihr oberstes Ziel sein würde.
Darum geht es in den Staffeln 1 bis 4
"The Crown" ist ein Projekt, das sich dem Leben und Wirken der britischen Königin Queen Elizabeth II widmet und auf insgesamt sechs Staffeln ausgelegt ist. Staffel 4 umspannt die Jahre von 1979 bis 1990. Es sind die Thatcher-Jahre im Vereinigten Königreich - Wendejahre in der einst so bedeutenden Nation. Zum ersten Mal bekleidet eine Frau das Amt der Premierministerin und diese regiert schonungslos. Ihre Wirtschaftsreform führt zu sozialen Unruhen und Millionen Arbeitslosen im Land. Im nordirischen Konflikt fällt ein Angehöriger des Königshauses einem Anschlag der katholischen Untergrundorganisation IRA zum Opfer und gegen die Falkland-Inseln gibt es Krieg. Das schwankende Verhältnis von Premierministerin und Queen, die angesichts so mancher politischer Entscheidung Thatchers machtlos wirkt, dominiert die neue Staffel.
Wer wissen will, was zuvor geschah, sollte sich 30 Stunden Zeit nehmen. So lang ist die in den bereits veröffentlichten Episoden erzählte Vorgeschichte, die in den ersten beiden Staffeln von einer künftigen Monarchin (Claire Foy) handelt, die sich mit den königlichen Anforderungen schwer tut, sich in Staffel 3, dann gespielt von Olivia Colman, aber bereits mit den Traditionen und royalen Gepflogenheiten arrangiert hat.
Aufwändig, teuer, monumental: Die Netflix-Serie "The Crown"
Die "cineastische Qualität" von "The Crown" verleitet den "Spiegel" dazu, eher von einem "Monumentalfilm" als von einer Serie zu sprechen. Langsame Kamerafahrten, unscharfe Vordergründe - mal dampft eine Zigarette oder es raucht aus einem Topf auf einem Herd - Schauspieler in legendären Kostümen, opulent ausgestattete, herrschaftliche Räume unterlegt mit langsamen Klavierklängen - das alles macht "The Crown" aus. Staffel 1 war 2014 mit einem Budget um die 80 Millionen US-Dollar die teuerste Netflix-Produktion. Mittlerweile ist eine mehr als doppelt so teure Netflix-Eigenproduktion, "The Gray Man", in Vorbereitung. Das Budget für den Actionfilm unter Regie von Joe und Anthony Russo ("Avengers Endgame") und mit Ryan Gosling und Chris Evans in den Hauptrollen wird auf 200 Millionen US-Dollar geschätzt.
Die Dialoge hingegen zeigen, dass hinter der royalen Fassade auch mit vulgären Ausdrücken um sich geworfen wird oder dass hin und wieder zu viel Alkohol fließt. Gegen Ende von Staffel 3 wird das Haus Windsor bereits als ein "Haus des Schreckens" bezeichnet. Es ist Lord Snowdon, zu diesem Zeitpunkt Noch-Ehemann von Queen Elizabeths Schwester Margaret, der seine spätere Frau Lucy mit den Worten "Ich rate dir zu fliehen, so lange du es noch kannst" vor den Royals warnt.
Emma Corrin als Lady Di: Der "neue Star" der Staffel
Eine Warnung die auch für Lady Di, gespielt von Emma Corrin, gilt und damit auf Staffel 4 übertragen werden kann. Gegenüber der "The Sunday Times" sagte die Schauspielerin, dass sie starken Druck empfunden habe, die Rolle zu bewältigen. Corrin hat keine eigene Erinnerung an Prinzessin Diana - sie wurde geboren, kurz bevor Lady Di auf tragische Weise 1997 bei einem Autounfall in Paris ums Leben kam. Dem Branchenblatt "Variety" sagte Corrin, dass sie aber viel von ihr gehört habe, als sie aufwuchs. So habe sie auch "eine Ahnung von der Tragödie" bekommen, "die ihr widerfuhr und ich habe eine Idee von ihrem Gemüt, über das die Leute sprechen - dass sie diese sehr großzügige, einfühlsame Person war, die innerhalb der königlichen Familie neue Wege beschritt". Die 24-jährige Corrin war bisher kaum bekannt. Nun betitelte sie die britische Programmzeitschrift "The Radio Times" bereits als "neuer Star von The Crown". Wie passend die The Smiths-Zeilen über die Schüchternheit sind, zeigt sich mit Dianas Eintritt in die Serie als scheuem Teenager, der auf den knapp 13 Jahre älteren Thronfolger Prinz Charles steht. Doch wie Queen Mum im Trailer bereits andeutet, wird sie, weil sie sich nicht beugen lässt, einmal an den royalen Gepflogenheiten und dem kühlen Umgang der königlichen Familienmitglieder zerbrechen.
Die 1981 mit Charles geschlossene Ehe ist nicht glücklich - er kann seine frühere Liebe Camilla Parker Bowles nicht vergessen. Dass Diana leidet, zeigt sich an ihrer Bulimie. Die Krankheit in "The Crown" noch deutlicher darzustellen, als sie im Drehbuch vorgesehen war, sei Corrin sehr wichtig gewesen: "Man kann all dem, was sie erdulden musste, nicht gerecht werden, ohne das zu integrieren", sagte Corrin der Variety. Die Essstörung sei Ausdruck von Dianas emotionalem Chaos und ihren unterdrückten Emotionen gewesen.
Margaret Thatcher: Annäherung an eine historische Figur
Anders als Corrin hat Gillian Anderson, die in der vierten Staffel Margaret Thatcher spielt, die Premierministerin erlebt, wenngleich sie deren Amtszeit nur aus dem Ausland verfolgen konnte. Anderson zog 1979 vom Vereinigten Königreich in die Vereinigten Staaten von Amerika. Kühl, äußerst konservativ, so heißt es, war Thatcher. Derartige Vorurteile und Meinungen habe Anderson über Bord geworfen, um sich der historischen Figur anzunähern: "Um Entscheidungen innerhalb von Szenen oder im Bogen der Serie zu treffen, muss man ein tiefes Verständnis dafür haben, wie sie zu diesen Entscheidungen gekommen sind", sagte sie der Variety. Im Falle Thatchers bedeutete dies, zu ergründen, warum sie bestimmte Handlungen ausführte und wie sie zu ihrer Haltung und ihren Maximen gekommen sei.
Wie Diana, wird Thatcher in "The Crown" auch in ihrem sehr persönlichen Umfeld zu sehen sein. Wer nun erwartet, dass es in dieser Staffel, in der gleich drei Frauen im Mittelpunkt stehen, auch um Feminismus geht, den Thatcher als Bewegung ablehnte, liege falsch, so Anderson: Diese Staffel "nimmt den Kampf zwischen 'Feministin' und 'Anti-Feministin' nicht auf". Sie glaubt, dass es angesichts Thatchers Denkweise nicht zur ihr gepasst hätte, über Feminismus zu sprechen.
Die Staffeln 5 und 6: Was noch folgen soll
Wie weit die kommenden Staffeln an die Gegenwart heranreichen werden, ist noch nicht bekannt. Dass es sich der Drehbuchautor der Serie, Peter Morgan, nicht nehmen lassen wird, den Konflikt um Prinz Harry, Diana und Charles' Sohn, und dessen Frau, der Schauspielerin Meghan Markle zu integrieren, gilt als sicher.
In der fünften Staffel übernimmt Imelda Staunton, bekannt als gemeine Hogwarts-Lehrerin Doloris Umbridge aus "Harry Potter", die Rolle der in die Jahre gekommenen Queen Elizabeth II. und Elizabeth Debicki ("Tenet") wird als Lady Di zu sehen sein. Während Staffel 4 noch knapp vor den durch Corona bedingten Drehstopps in März 2020 abgeschlossen werden konnte, ist noch unklar, inwiefern die Pandemie Einfluss auf die Dreharbeiten für die neuen Staffeln haben wird. Gut möglich, dass Staffel 5, in der auch der tödliche Autounfall von Lady Di passieren wird, erst 2022 ausgestrahlt werden kann.
"The Crown" läuft ab dem 15. November 2020 auf Netflix in zehn Episoden à 60 Minuten.