Teures Wetter
18. August 2004Die Zukunft ist für manche Region auf dieser Welt düster, im wahrsten Sinne des Wortes. Dunkle Wolken werden sich dort immer häufiger zeigen und Stürme ankündigen, die mit rasender Geschwindigkeit über das Land fegen, hinter sich eine Spur der Verwüstung. Hurrikans, Tornados, Sturmfluten, Überschwemmungen, Dürren: Die Zahl von Wetterkatastrophen hat sich seit den 1970er Jahren verdreifacht. Allein für dieses Jahr hat das belgische Forschungszentrum für Katastrophen-Epidemiologie an der Universität Löwen über 150 solcher Extrem-Ereignisse gezählt.
Die Zerstörungskraft des Hurrikans Charley, der jüngst über den Südwesten Floridas stob, war besonders groß. Er riss 19 Menschen in den Tod, machte nach Behördenangaben mindestens 10.000 Menschen obdachlos und schnitt fast eine Million Menschen von der Stromversorgung ab. Den volkswirtschaftlichen Schaden schätzt die Münchner Rück auf 20 Milliarden US-Dollar. Davon versichert waren laut dem weltweit größten Rückversicherer zwischen 7 und 14 Milliarden US-Dollar. Diese Schätzungen basieren auf der Versicherungsdichte und dem Wert der Liegenschaften der betroffenen Region. Sie haben jedoch noch provisorischen Wert, die Erstversicherer haben ihre Schadensberechnungen bislang nicht abgeschlossen.
Nicht nur Klimaerwärmung Schuld
Die Münchner Rück selbst könnte noch glimpflich davonkommen: Man sehe eine Belastung von unter 200 Millionen Euro auf sich zukommen, sagt Florian Wöst, Sprecher des Unternehmens zu DW-WORLD. Doch bereits jetzt steht fest: Hurrikan Charley ist einer der schlimmsten Wirbelstürme in der Geschichte der USA.
Übertroffen wird er bislang nur von Hurrikan Andrew, der 1992 über Florida fegte und insgesamt 22 Milliarden US-Dollar Schaden verursachte. Der Grund für die hohe Zerstörungswut von Wetterkatastrophen ist dabei nicht nur in der Klimaerwärmung zu suchen. "Auch ohne Treibhauseffekt werden die Schäden durch Naturkatastrophen zunehmen", sagt Wöst. "Das liegt daran, dass eine Anhäufung von Werten in Risikogebieten zu beobachten ist". So würden häufig Siedlungen in potenziellen Überschwemmungsgebieten oder in Sturmrisiko-Regionen gebaut.
Der weltweit verursachte volkswirtschaftliche Schaden durch Naturkatastrophen lag laut Münchner Rück im vergangenen Jahr bei 65 Milliarden US-Dollar, Tendenz steigend. Der Hauptteil der volkswirtschaftlichen Schäden fiel mit 60 Prozent in den reichen Industrieländer an. Entwicklungsländer dagegen sind für Rückversicherer ein "Nebenschauplatz", sagt Wöst.
Entwicklungsländern unterversichert
Dabei sind die Folgen von Naturkatastrophen in Entwicklungsländer besonders verheerend. Dort ist die so genannte Versicherungsdurchdringung gering. Während die Menschen in reichen Ländern oft mehr als 100 US-Dollar pro Kopf und Jahr für Sachversicherungsschutz ausgeben, weisen in Afrika laut Münchner Rück nur sieben Länder eine jährliche Sachversicherungsprämie von über 5 US-Dollar auf. Lediglich Südafrika verfügt über einen gut entwickelten Versicherungsmarkt.
Eine Naturkatastrophe kann dabei ein ganzes Entwicklungsland wirtschaftlich lahm legen. Jüngstes Beispiel: Bangladesch. Mitte Juli wurden nach schweren Regenfällen große Teile des Landes überschwemmt. 800 Menschen starben, bis zu 30 Millionen Menschen sollen laut UNO von den Flut betroffen sein. Die Regierung schätzt den wirtschaftlichen Schaden auf 6,6 Milliarden US-Dollar. Durch die Flut kam die Arbeit in den Kleiderfabriken des Landes fast vollständig zum Stehen. 1,8 Millionen Menschen sind dort normalerweise beschäftigt, die Ausfuhr der Bekleidung macht drei Viertel der Export-Erlöse aus. Die UNO schätzt, dass der Wiederaufbau des Landes mindestens ein Jahr dauern wird.
"Im Katastrophenfall sind Entwicklungsländer meist komplett von externer Hilfe abhängig", sagt Christina Bollin von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). "Außerdem müssen sie Gelder aus dem eigenen Haushalt abziehen, der dann für Jahre zusätzlich belastet wird." Nach Katastrophen nehme die Armut deshalb oft zu. Nach dem Hurrikan Mitch 1998 brach in Honduras und Nicaragua die Landwirtschaft zusammen und nach einem Erdbeben in El Salvador 2001 versuchten zahlreiche Menschen, illegal in die USA auszuwandern. Dabei könnten vielen Katastrophen durch entsprechende Maßnahmen vorgebeugt werden. "Es wird noch immer zu wenig in die Prävention investiert", so Bollin. Für viele Länder sei es immer noch attraktiver, Hilfe von außen einzufordern, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist.