Gefahr erkannt – Katastrophe gebannt?
19. Oktober 2003Mitten im Fluss Cara Sucia, Region Ahuachapan, im Westen von El Salvador, hängt ein Sensor im Wasser. Er ist kaum zu sehen, erfüllt aber eine wichtige Funktion: er wacht über den Wasserpegel. Wenn der eine bestimmte Marke übersteigt, schickt der Sensor per Kabel ein Signal an eine Warnanlage. Dann schrillt eine Sirene in der lokalen Kontrollstation.
Es muss nicht immer High-Tech sein
Das kleine Kästchen nennt sich "Ein-Dollar-Box" und ist ein Paradebeispiel für effektiven Katastrophenschutz auf lokaler Ebene: technisch simpel, wenig störanfällig und leicht zu bedienen. Mit solchen Projekten und technischem Knowhow aus den westlichen Industrienationen konnten Hilfswerke in den vergangenen Jahren Erfolge feiern.
Geringer Aufwand, große Wirkung: Katastrophenschutz könnte so einfach sein. Ist er aber nicht. Auf der zweiten internationalen Frühwarnkonferenz für Naturkatastrophen in Bonn (16.-18. Oktober 2003) haben Experten aus aller Welt über eine Unzahl praktischer Probleme beraten.
Rückschlag für die Entwicklungspolitik
"Es ist unstrittig: Die Zahl und die Intensität von Naturkatastrophen hat in den letzten Jahrzehnten sehr deutlich, wenn nicht sogar dramatisch zugenommen", sagt Klaus Töpfer, Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Die Zahl der Todesopfer ist zwar im Vergleich zu 1970 um zwei Millionen auf 800.000 weltweit gesunken; aber das ist nur ein schwacher Trost.
Gleichzeitig sind immer mehr Menschen von Naturkatastrophen betroffen, etwa durch Hunger oder Obdachlosigkeit. Ihre Zahl hat sich auf zwei Milliarden verdreifacht – und meist leben sie in Entwicklungsländern. Sie leiden besonders unter den Folgen – häufig müssen Gelder, die eigentlich für Entwicklungspolitik gedacht waren, für wichtigere Dinge eingesetzt werden: den Wiederaufbau. Das bremst die Vereinten Nationen in ihrem Ziel, Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren.
Von der Reaktion zur Prävention
Von der wissenschaftlichen Seite her gibt es heutzutage kaum noch Probleme. Entscheidende Vorteile in Frühwarnsystemen bringt der ständige technische Fortschritt, betont Michel Jarraud von der Welt-Meteorologie-Organisation (WMO). Mit Hilfe von Satellitentechnik können die Forscher Stürme oder Hochwasser schon drei bis vier Tage im Voraus erkennen.
Wertvolle Zeit, die in vielen Ländern jedoch nicht effektiv genutzt wird. Genau das soll sich in Zukunft ändern – durch intensive Zusammenarbeit zwischen lokalen, nationalen und internationalen Organisationen. Das zumindest wünschen sich die Teilnehmer der Frühwarnkonferenz in Bonn, die unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stattfindet.
Appell an die Politik
"Frühwarnung für Naturkatastrophen in die Politik integrieren" ist das Motto der Konferenz. Was sich so einfach anhört, stellt die Experten vor große Probleme: denn selbst in hoch entwickelten Ländern wie Deutschland gibt es ein beinahe unüberschaubares Wirrwarr an Zuständigkeiten.
"Frühwarnung ist eine komplexe Materie", sagt Irmgard Schwaetzer vom Deutschen Komitee für Katastrophenvorsorge (DKKV). Damit sie funktioniere, sei ein ständiger Austausch weltweit notwendig, zahlreiche organisatorische Einheiten und Stufen müssten miteinander Kontakt halten.
Wie das politisch erreicht werden kann, soll eine Checkliste verraten, die die Teilnehmer gemeinsam erarbeiten wollen. Ein gewisses Problembewusstsein in der Politik ist schon vorhanden; der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin brachte es gestern auf den Punkt: "Es ist klüger vorzubeugen als Sandsäcke zu stapeln."