Tesla-Fabrik: Brandenburg unter Druck
18. Februar 2020"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg - dies scheint für wichtige Großprojekte in Deutschland immer seltener zu gelten", klagte Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Was war geschehen? Der Umweltverband Grüne Liga hatte vor Gericht erwirkt, dass die Rodungsarbeiten für das Tesla-Gelände im brandenburgischen Grünheide vorerst gestoppt wurden. Hier, zwischen Berlin und polnischer Grenze, will der US-Elektroautobauer Tesla eine Fabrik bauen, in der pro Jahr bis zu 500.000 Autos der Modellreichen 3 und Y vom Band laufen sollen. Schon im Juli 2021 soll die Produktion beginnen.
Umweltschützer bringen Großprojekt zu Fall - so oder ähnlich muss Ökonom Fratzscher die Situation verstanden haben. "Der Fall Tesla ist symptomatisch für eine überbordende, ineffiziente und selbstgefällige Bürokratie, die immer häufiger eine Bremse für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist", so Fratzscher im Handelsblatt.
"Die Region muss liefern"
Wo genau Fratzscher bei der Verwaltung Fehler sieht, sagte er nicht. Aber er blies ins selbe Horn wie Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU, der in der Zeitung warnte: "Nach dem Imageschaden für unser Land durch die jahrelangen Verzögerungen beim Berliner Großflughafen muss die Hauptstadtregion hier ein sauberes Verfahren mit erfolgreichem Ausgang liefern."
Auch die Landesregierung Brandenburg macht Tempo. Wenn sich ein Unternehmen wie Tesla für die strukturschwache ostdeutsche Provinz entscheidet, will man die Chance nutzen. Wenige Tage vor Weihnachten hatte Tesla den Bau einer Fabrik in der Gemeinde Grünheide beantragt, am 2. Januar eröffnete das Landesamt für Umwelt das Genehmigungsverfahren. Umweltminister Axel Vogel gab die Gründung einer "Task Force Tesla" bekannt und verkündete, alles laufe nach Plan.
"Bürgerbeteiligung und Transparenz sind uns sehr wichtig. Einen Monat lang kann die Öffentlichkeit nun die Antragsunterlagen einsehen und bis 5. März Einwendungen einbringen", so der Minister. Auf einem für den 18. März festgesetzten Termin in einer lokalen Stadthalle sollen die Einwände dann besprochen werden.
Tesla möchte schon im Juli 2021 mit der Produktion beginnen. Um das einzuhalten, müsste die Baugenehmigung bis zum Sommer vorliegen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nennt das ambitioniert und ehrgeizig. "Wir setzen alle Kraft daran, das Verfahren zügig unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben voranzubringen."
Großer Druck
Doch genau daran haben Umweltschützer ihre Zweifel. "Wir wollen Tesla nicht verhindern", sagte Heinz-Herwig Mascher, Vorsitzender der Grünen Liga Brandenburg, der DW. "Aber die Landesregierung macht großen Druck. Wir wollen daher gerichtlich prüfen lassen, ob alles mit rechten Dingen zugeht."
Normalerweise gebe es bei Großprojekten wie der Tesla-Fabrik eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die durchaus auch ein Jahr dauern könnte. Dabei werde festgestellt, welche Umweltgüter geschützt werden müssen, erst danach beginne das eigentliche Verfahren der Baugenehmigung. All das habe die Landesregierung bereits stark abgekürzt, um Tesla entgegenzukommen. Doch damit nicht genug: Obwohl die Baugenehmigung noch nicht erteilt ist und derzeit noch die Anhörungsphase für Einwände läuft, schaffe das Umweltamt schon Fakten, so Mascher.
Tatsächlich hat die Behörde Tesla erlaubt, "bauvorbereitende Maßnahmen" durchzuführen. Dazu gehört die Umzäunung und Rodung eines knapp 92 Hektar großen Waldstücks. Am 13. Februar rückten 29 sogenannte Harvester und neun weitere Spezialmaschinen an und begannen, die dortigen Bäume in großer Geschwindigkeit zu fällen.
Warum die Eile? Die Waldrodung ist in Deutschland nur außerhalb der Brutsaison erlaubt, und die beginnt Anfang März und geht bis zum Herbst. Tesla wollte vermeiden, nach erteilter Baugenehmigung Zeit zu verlieren, weil Vögel in den Bäumen nisten.
Etappensieg der Umweltschützer
Die Landesregierung sieht im "vorzeitigen Maßnahmenbeginn" kein Problem und auch "keine Sonderbehandlung für Tesla", weil Paragraf 8a des Bundesimmionsschutzgesetzes das erlaube. Zudem rodet Tesla ausdrücklich "auf eigenes Risiko". Sollte die Baugenehmigung für das Werk verweigert werden, muss der Konzern den Wald wieder aufforsten, also auf dem Gelände neue Bäume pflanzen. Allerdings wies der forstpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Karlheinz Busen, darauf hin, dass es sich bei dem Kiefernwald in Grünheide um einen Nutzwald handele. "Das Holz wird eingeschlagen - mit und ohne Tesla", so Busen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
"Es würde aber Jahre dauern, bis da wieder ein Wald ist", sagt Umweltschützer Mascher von der Grünen Liga und zog vor Gericht. In zweiter Instanz gab das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Beschwerde statt, seit Samstagabend werden vorerst keine weiteren Bäume gefällt. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem rasanten Tempo der Rodungsarbeiten, die "innerhalb weiterer drei Tage abgeschlossen sein würden".
Das Umweltamt hat nun bis Dienstagnachmittag (18.02.2020) Zeit, seine Sicht der Dinge zu erläutern, dann werden die Richter entscheiden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest, doch eine Gerichtssprecherin teilte der DW mit, dass der Beginn der Brutsaison dabei berücksichtigt werde.
Hasserfüllte Emails
Die Landesregierung jedenfalls scheint nicht davon auszugehen, dass sich die Umweltschützer vor Gericht durchsetzen und die Bauarbeiten verzögern können. "Wenn das Oberverwaltungsgericht zeitgerecht entscheidet", so Regierungssprecher Florian Engels zur DW, "könnten die Rodungen mit Sicherheit rechtzeitig beendet werden" - wobei mit "rechtzeitig" Ende Februar gemeint sei, also vor Beginn der Brutsaison.
Heinz-Herwig Mascher hofft dagegen, dass die Richter die Argumente der Grünen Liga teilen. Dann dürfte erst gerodet werden, wenn die Baugenehmigung vorliegt.
So oder so werden alle Umweltverbände des Landes eine gemeinsame Stellungnahme abgeben, wenn das Antragsverfahren abgeschlossen ist. Zu den Punkten, die vielen Sorgen machen, gehört auch der Wasserverbrauch der Fabrik. Tesla sagt, seine Fabrik benötige 372.000 Liter Wasser - pro Stunde.
Die Landesregierung hält sich mit Kritik an den Umweltschützern zurück. "Wir leben (zum Glück) in einem Rechtsstaat", so Regierungssprecher Engels zur DW. Umweltschützer Mascher ist dankbar, dass das Land nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießt, denn die Stimmung sei ohnehin aufgeheizt in der Region. Und dann liest er aus Emails vor, in denen die Umweltschützer von aufgebrachten Bürgern übel beschimpft werden. "Der Druck", sagt Mascher, "ist enorm hoch."
Jedenfalls ist Tesla Grünheide derzeit noch kein weiteres Beispiel dafür, dass Deutschland keine Großprojekte mehr kann, wie das beispielsweise beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 der Fall ist.