Terrorangst in Europas Zügen
2. September 2013Immer wieder mal gebe es Warnhinweise, denen man auch nachginge, lässt das Bundesinnenministerium nach den neuesten Gerüchten über Anschläge auf Schnellzüge in Europa verlauten. Kommentieren möchte das Ministerium sie aber nicht. Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, dass das Terrornetzwerk Al Kaida Anschläge auf Schnellzüge in Europa plane. Entsprechende Hinweise seien vom US-Geheimdienst NSA gekommen. Denkbar seien neben Anschlägen in den Zügen auch Sabotage-Akte an Schienen und Oberleitungen und Anschläge mit Sprengsätzen auf Schnellzug-Trassen und Tunnel.
Anschlagsversuche in Deutschland
Dass die Deutsche Bahn und die rund 5700 Bahnhöfe in Deutschland mögliche Anschlagsziele sind, zeigte sich bereits in der Vergangenheit. 2006 deponierten Terroristen im Kölner Hauptbahnhof Bomben in zwei Regionalzügen. Die Bomben, die die Attentäter in Reisetaschen untergebracht hatten, explodierten nicht, weil die Zünder falsch angebracht waren. Ähnliches galt 2012 für den Bonner Hauptbahnhof. Dort hatte ein Unbekannter eine Reisetasche mit einer fehlerhaft gebauten Bombe auf dem Bahnsteig stehen lassen. Zu der Frage, was sich seit den Anschlagsversuchen von Köln und Bonn getan hat, will sich das Bundesinnenministerium nicht äußern.
Auch die Deutsche Bahn will derzeit keine Informationen zu ihren Sicherheitsvorkehrungen herausgeben. Dafür seien das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei zuständig, so ein Sprecher. Dort heißt es nur: Die Maßnahmen der Bundespolizei berücksichtigten bereits eine hohe Gefährdungslage im In- und Ausland.
Al Kaida hat Vorliebe für Transportmittel
Für den Leiter des Instituts für Terrorismusforschung, Rolf Tophoven, ist es nachvollziehbar, dass die Behörden sich derzeit nur zurückhaltend äußern: "Dass Terroristen sich das europäische Verkehrsnetz als Anschlagsziel ausgewählt haben, ist nicht neu", sagte er der Deutschen Welle. Solche Pläne hätten vor allem bei Al Kaida immer "höchste Priorität" gehabt.
Gerade Bahnhöfe sind mögliche Ziele, glaubt Timon Heinrici, Chefredakteur des Branchendienstes RailBusiness und Eisenbahnfachmann bei der Deutschen Verkehrszeitung (DVZ): "Dort erreichen Anschläge eine größere Wirkung als auf der Strecke, weil sie eine viel höhere Anzahl von Menschen erreichen", sagt er. Auch die Bahn wisse das. "Deshalb werden die Mitarbeiter ihre Überwachungen verstärken und vermehrt nach verdächtigen Taschen und Koffern Ausschau halten", vermutet Heinrici. "Auch die Bundespolizei wird nun ihre Einsatzkräfte verstärken und die Bahnhöfe überwachen." Vor allem große Verkehrsknotenpunkte wie Köln und Frankfurt am Main betrachtet er als gefährdet. Terrorexperte Rolf Tophoven fordert deshalb, dass deutsche Bahnhöfe noch mehr Überwachungskameras bekommen. "Auch der Bombenattentäter von Köln ist damals dank einer Kameraaufnahme gefasst worden." Allerdings dürfe man nicht glauben, dass in jeder verdächtigen Tasche gleich eine Bombe stecke, sagt Heinrici. "Das ist sicher oft auch nur schmutzige Wäsche."
Andere Länder kontrollieren stärker
Während die deutschen Behörden derzeit offenbar nicht gern über die Terrorabwehr reden, gehen andere europäische Länder offensiver mit dem Thema um. Nach den Anschlägen auf Pendlerzüge in Madrid 2004 hat Spanien die Sicherheitsvorkehrungen auf Bahnhöfen verschärft. An Fernverkehrsstationen gibt es dort mittlerweile Kontrollen, wie sie an Flughäfen stattfinden. Zu ihrem Zug kommen die Passagiere nur noch, nachdem ihr Gepäck durchleuchtet wurde. Auch die Fahrkarten werden nicht vom Schaffner am Platz, sondern an der Sicherheitsschleuse kontrolliert. "Praktikabel ist das mit Sicherheit. Man sieht schließlich auch, dass das an Flughäfen funktioniert", sagt Verkehrsexperte Heinrici. "Aber man muss sich fragen, ob dieses System bei der Terrorprävention von Nutzen ist, da die Anschläge in Spanien schließlich im Nahverkehr stattfanden, der nicht besonders geschützt wird."
Schon Ende der Neunziger Jahre setzte die britische Eurostar Group bei ihren internationalen Zügen zwischen Paris und London auf eine strenge Sicherheitskontrolle auf den Bahnhöfen. Auch dort müssen die Passagiere, ähnlich wie am Flughafen, durch eine Check-in-Kontrolle, "aber das ist am Kölner Hauptbahnhof, an dem Millionen Pendler unterwegs sind, leider nicht zu realisieren", sagt Terrorismusforscher Tophoven.
In Russland hat man versucht, dieses Problem zu lösen. Dort gibt es seit April 2013 flughafenähnliche Sicherheitskontrollen auf 32 großen Bahnhöfen. Damit es nicht zu großen Warteschlangen kommt, setzen die russischen Behörden auf stichprobenartige Überprüfungen von Passagieren und Gepäck. "Einzelne Personenkontrollen wirken auch schon einmal abschreckend", glaubt Tophoven. Wichtig sei aber, Gerüchte über Anschlagspläne nicht überzubewerten: "Panik und Hysterie sind nicht angebracht." Sonst hätten die Terroristen eines ihrer Ziele schon erreicht.