Teheran reagiert vorsichtig positiv auf Kompromissvorschlag
6. Juni 2006Im Streit um das iranische Atomprogramm hat sich die Teheraner Führung in einer ersten Reaktion auf das Angebotspaket des Westens vorsichtig positiv geäußert. Die Vorschläge der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands zur Beilegung des Atomstreits enthielten "positive Schritte", sagte der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani am Dienstag (6.6.) nach einem Treffen mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana in Teheran. Enthalten seien aber auch "Zweideutigkeiten", die geklärt werden müssten. Kernstück des Pakets, dessen Einzelheiten noch nicht bekannt wurden, ist laut "New York Times" das Angebot der USA, sich direkt an den Verhandlungen mit Teheran zu beteiligen.
Anreize und Drohungen
Das Kompromissangebot sieht Anreize für eine Kooperation vor, um den Iran zum Aussetzen seiner Urananreicherung zu bewegen, aber auch mögliche Sanktionen. Solana betonte seinerseits das Interesse der Europäer an einer Fortsetzung der Beziehungen zum Iran auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und Zuversicht. Vor Journalisten sagte Laridschani nach dem Treffen von einer "guten Diskussion" mit Solana, die etwas mehr als zwei Stunden lang gedauert habe. Die Vorschläge müssten aber noch eingehend geprüft werden, es gebe noch viel Diskussionsbedarf. Solana bestätigte, es müsse "unbedingt" noch mehr Diskussionen und Studien geben. "Allgemein" seien die Gespräche "sehr konstruktiv" gewesen.
Nach einem anschließenden Treffen mit Außenminister Manuschehr Mottaki bekräftigte Solana, er habe "gute Gespräche" mit der iranischen Seite geführt. "Nun da das Angebot auf dem Tisch ist, hoffe ich, dass wir eine positive Antwort erhalten werden, die beide Seiten zufriedenstellt." Bei dem Treffen Solanas mit Mottaki nahmen auch die Botschafter Deutschlands, Großbritanniens, Russlands und Österreichs teil, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat.
Zugeständnisse der USA
Nach Informationen der "New York Times" (Dienstag) enthält der Vorschlag wichtige Handels-Zugeständnisse der USA. So solle dem Iran erstmals seit 27 Jahren der Import von modernen Boeing-Flugzeugteilen für seine alternde Flotte erlaubt werden. Zudem könnten die Sanktionen so gelockert werden, dass Teheran der Import amerikanischer Agrartechnologie ermöglicht werde.
Die Zeitung berief sich bei ihrem Bericht auf Aussagen europäischer Diplomaten und Mitarbeiter der US-Regierung. Das Angebot der USA, dem Iran Teile des Flugzeugbauers Boeing zu liefern, wäre nach Einschätzung der "New York Times" ein wichtiger Schritt. Wegen der US-Sanktionen seit der iranischen Revolution 1979 konnten praktisch alle iranischen Passagierflugzeuge nicht modernisiert werden. Die Sanktionen betrafen auch Maschinen des europäischen Konkurrenten Airbus, wenn diese Teile verwenden, die in den USA produziert werden.
Lob von Putin
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die an diesem Mittwoch in Berlin mit Solana zusammentrifft, erörterte am Dienstag in einem Telefonat mit Chinas Regierungschef Wen Jiabao ausführlich das iranische Atomprogramm. Beide bekräftigten das gemeinsame Ziel, eine diplomatische Lösung in dem Streit zu finden, teilte die Bundesregierung mit. Merkel und Wen unterstrichen zugleich die "große Bedeutung", die sie einer Rückkehr des Iran an den Verhandlungstisch beimessen.
Der russische Präsident Wladimir Putin lobte das internationale Vorgehen im Atomstreit mit dem Iran und die Zusammenarbeit mit den USA. "Unsere Ansichten stimmen bei weiten nicht immer überein, aber insgesamt verstehen wir uns, was am Wichtigsten ist, und wir finden Kompromisse", sagte Putin bei einem Treffen mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger am Dienstag in Moskau.
Die fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland hatten sich am Donnerstag vergangener Woche auf ein gemeinsames Vorgehen im Fall des Irans verständigt. Einzelheiten wurden bisher offiziell nicht mitgeteilt. Im Gegenzug auf ein Aussetzen der Urananreicherung - einer Technologie, die auch zum Bau von Atombomben benötigt wird - wollte man langfristig die Versorgung Teherans mit nuklearen Brennstoffen für Leichtwasser- und Forschungsreaktoren garantieren, die mit niedrig angereichertem - und damit nicht waffenfähigem - Uran arbeiten. (stu)