Technologie schafft Transparenz
17. September 2017Wenn die Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW, Geld für eine Schule in Mosambik bereitstellt, funktioniert das normalerweise so: Ein Partner, zum Beispiel das Bildungsministerium in Mosambik, schreibt das Projekt aus und die KfW überweist das Geld für die Schule direkt an die Baufirma. Das Geld geht also am Haushalt von Mosambik vorbei.
Damit will die KfW vermeiden, dass ihr Geld in korrupten Strukturen versandet. Es soll an den richtigen Stellen ankommen, damit die Schulen nach dem vorgesehenem Standard gebaut werden können. "Wir schaffen Inseln der Glückseligkeit. Alle anderen Schulen haben das Risiko, dass dort nicht dieselben Ansprüche eingehalten werden", meint Piet Kleffmann von der KfW.
Wenn das Bildungsministerium in Eigenregie Schulen baut, werden die unter Umständen ganz anderen Standards entsprechen als die Schulen, die durch die KfW gefördert wurden. Und das Geld, das das Bildungsministerium für den Bau von Schulen einsetzt, untersteht nicht denselben Kontrollen wie das der KfW.
Durch parallele Strukturen - etwa bei der Geldüberweisung - kann die KfW zwar verhindern, dass ihre Mittel veruntreut werden. Ds hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf Investitionen, die vom Entwicklungsland selbst finanziert werden. Das ist ein Problem in der Entwicklungszusammenarbeit: eine Schule wird gefördert, aber für die meisten Schüler ändert sich nichts. Korrupte Strukturen ändern sich auch dann nicht, wenn nebenan ein Projekt mit höchsten Transparenzstandards abläuft.
Außerdem ist es für die Partnerländer sehr aufwendig, den Überblick über das Geld der verschiedenen Geber aus dem Ausland zu behalten. Kleffmann hat deshalb ein neues Projekt der Entwicklungsbank initiiert, mit dem Geldströme, die parallel zur Regierungsverwaltung laufen, vermieden werden sollen.
Dafür soll eine Technologie sorgen, die seit einigen Jahren von sich reden macht und große Hoffnungen geweckt hat: die Blockchain. Diese Technologie soll helfen, dass Partnerländer mehr Verantwortung übernehmen, indem sie etwa das Geld der Förderer selbst verwalten - ein entwicklungspolitischer Schritt hin zu mehr Eigenständigkeit. Die KfW behält jedoch die Kontrolle, weil sie jederzeit nachvollziehen kann, was passiert ist.
Was ist die Blockchain?
Eigentlich ist Blockchain so etwas wie eine Datenbank, die nicht auf einem Computer gespeichert ist, sondern parallel in einem Netzwerk von Computern. Wenn an einer Stelle etwas verändert wird, werden die anderen Parteien darüber informiert. Jeder, der an der Blockchain teilnimmt, hat ein komplettes Verzeichnis aller jemals getätigten Transaktionen. Bereits abgespeicherte Blocks, also Datenpakete oder Transaktionen, sind versiegelt und können nicht verändert werden.
Wie bei einem Vertrag hat man eine Kopie zu Verfügung. Anders als bei einem Vertrag kann niemand in der Blockchain etwas ändern, ohne dass die anderen Teilnehmer es bemerken. Daher gilt die Blockchain als absolut transparent. Und weil es schwierig ist, Vorgänge nachträglich zu manipulieren, sehen viele die Blockchain als sehr sichere Technologie. Ein Hacker müsste auf alle Computer zugreifen, die durch die Blockchain verbunden sind.
Das prominenteste Blockchain-Beispiel ist Bitcoin. Die digitale Währung wird nicht über eine Bank von einem User an einen anderen überwiesen, sondern über die Blockchain. Dadurch wird vermieden, dass sich eine Bank oder eine andere Institution an Transaktionen bereichert. Zumindest in der Theorie.
Mehr Transparenz, mehr Autonomie?
In der internationalen Zusammenarbeit soll es die Technologie nun möglich machen, Prozesse transparent und dezentral abzuwickeln. Beim Beispiel der Schule wäre es mit der Blockchain möglich, dass die KfW ihr Fördergeld direkt an das Bildungsministerium in Mosambik zahlt, und zwar in einen Topf für Grundschulbau, in den auch Mittel von anderen Gebern, Investoren und dem Ministerium selbst einfließen. Alles, was aus diesem Topf finanziert wird, soll für alle transparent sein.
Gleichzeitig kann das Finanzministerium mit der Blockchain-Technologie den Überblick behalten, wohin die Gelder fließen. Alle Aufträge für den Bau von Schulen würden über diese Plattform abgewickelt. Ein Bauunternehmer würde ein Angebot über die Blockchain erhalten und es dort auch annehmen. Förderer wie die KfW wären über die Art und Bedingungen des Auftrags informiert. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die hohen Standards auch beim Bau anderer Schulen eingehalten werden.
Für diesen Zweck würde die Plattform Tru Budget entwickelt, die auf der Basis der Blockchain-Technologie funktioniert. "Wir von der KfW können über die Plattform jederzeit sehen, wer was wo entschieden hat", sagt Piet Kleffmann. "Wir vermeiden dadurch Parallelstrukturen, indem wir unsere Gelder über ein zentrales Konto in zum Beispiel Mosambik leiten."
Blockchain hat immense Hoffnungen geweckt. Nicht nur in der internationalen Zusammenarbeit oder bei Internetwährungen, sondern auch bei Musikern, die ihre Songs dezentral vertreiben wollenoder bei Migranten, die schnell und günstig Überweisungen an Verwandte in der Heimat machen wollen. Schätzungsweise eine Milliarde Dollar wurden 2016 in die Technologie investiert.
Aber so einfach ist das mit der Blockchain dann doch nicht. Es heißt, dass selbst Informatiker Jahre brauchen, um sie zu verstehen. Lohnt es sich wirklich, eine so komplizierte Technologie in all diesen verschiedenen Bereichen einzusetzen? Gibt es nicht auch andere, einfachere Systeme, die denselben Zweck erfüllen? Die Technologie braucht immerhin bestimmte Ressourcen und könnte in einem Land, in dem regelmäßig das Internet abgeschaltet wird, nicht viel ausrichten.
Oder alles nur Hype?
"Blockchain ist absoluter Hype, alles muss plötzlich über Blockchain laufen", sagt der Informatiker Jürgen Geuter zur DW. "Schön und gut, Blockchain ist dezentral und überprüfbar. Aber durch die Technologie erzeugt man technische Komplexität, die man nicht unbedingt braucht."
Geuter meint, dass sich der große Aufwand für die KfW nicht lohnt. "Ganz platt gesagt: man könnte auch einen Dropboxordner mit einer Excell-Tabelle teilen, das hätte dasselbe Ergebnis." Er sieht den Mehrwert der Blockchain in vielen Fällen nicht. "Es gibt wenig Szenarien, wo wir dadurch etwas gewinnen."
Jure Zakotnik ist der technische Kopf hinter Tru Budget. Auch er hat sich gefragt, ob es wirklich die Blockchain sein muss. Aber er sieht bisher keine Alternativen. "Cloud-Dienste wie etwa die Dropbox gehören ja einer Firma und die hätte dann Gewalt über unsere Daten. Wenn wir in verschiedenen Partnerländern sind, wer sollte dann die Hoheit haben? Das müsste eine übergeordnete Institution sein, das ist politisch kompliziert und ineffizient."
Tru Budget nutzt eine Art der Blockchain, bei der der Konsens-Mechanismus gilt. Alle Nutzer müssen einer Aktion zustimmen. Will ein Bauunternehmen bekanntgeben, dass es die Schule fertig gebaut hat, kann die Information erst gespeichert werden, wenn alle Parteien einverstanden sind. Das Konsens-System ist weniger energieaufwändig als das (Proof-of-Work-)System, das zum Beispiel bei Bitcoins genutzt wird.
Und Piet Kleffmann von der KfW gibt zu Bedenken: "Von der Nutzerseite her ist diese Technik nicht kompliziert. Das ist wie beim Internet: ein kompliziertes System, aber das merken die Nutzer nicht." Trotzdem will die Bank klein anfangen und zunächst darauf verzichten, Geld über die Blockchain zu verwalten. "Es geht erstmal nur darum, unsere Arbeitsprozesse darzustellen und zu protokollieren. Dann können wir weitersehen."
Wie attraktiv es für einen Staat wie Mosambik ist, Teile seines Haushalts über die Blockchain von einer ausländischen Förderbank kontrollieren zu lassen, wird sich zeigen. Bisher gibt es noch keine offiziellen Partnerländer für das KfW-Projekt.