Tausende flüchten im Norden Myanmars
28. April 2018Erneut sind tausende Menschen auf der Flucht vor Gewalt im Norden von Myanmar. Mehr als 4000 Menschen seien in den vergangenen drei Wochen aus ihren Häusern und Dörfern im nördlichen Bundesstaat Kachin geflohen, sagte der Leiter des UN-Nothilfebüros (OCHA) in der Region, Mark Cutts. Anlass sind neue Kämpfe zwischen der Armee und Rebellen.
Zuvor waren seit Jahresbeginn bereits rund 15.000 Menschen in der Region geflohen, bis zu 90.000 leben in Lagern für Binnenflüchtlinge in den Regionen Kachin und Shan.
Der UN-Nothilfekoordinator Cutts sagte, ihn erreichten Berichte von lokalen Organisationen, dass Zivilisten in Konfliktgebieten eingeschlossen seien. Angaben, wonach Zivilisten bei den Kämpfen getötet wurden, konnte das OCHA nicht bestätigen. Auf Twitter teilte Cutts Bilder von flüchtenden Menschen.
Seitdem das überwiegend buddhistische Myanmar von Großbritannien unabhängig ist, sind die Grenzregionen des Landes instabil. Mindestens 20 Minderheitsgruppen haben seit 1948 gegen den Staat gekämpft. Aktuell sind es noch sechs. Im Norden ist die Volksgruppe Kachin involviert, die sich mehrheitlich zum Christentum bekennt.
Seit 1961 kämpfen die Kachin für mehr Autonomie. Es geht allerdings auch um die Kontrolle der Rohstoffe in der Region - Kachin hat unter anderem reiche Vorkommen des Schmucksteins Jade. Eine 17 Jahre währende Waffenruhe zwischen der Regierung Myanmars und der Rebellenorganisation Kachin Independence Army (KIA) war 2011 gescheitert. Sowohl im Januar als auch Anfang April flammten die Konflikte zuletzt wieder auf.
Ein Sprecher der KIA sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Kämpfe seien heftiger, da die myanmarische Armee mehr Truppen aus anderen Landesteilen schicken würden.
Obwohl die Gräueltaten der Armee nicht gleichzusetzen sind mit denen, die sich gegen die muslimischen Rohingya im Westen des Landes innerhalb des letzten Jahres richteten und die die Vereinten Nationen als "ethnische Säuberung" einstuften, stellte eine Untersuchung der UN "deutliche Ähnlichkeiten" fest. Auch im Norden gebe es Berichte über Entführungen, Tötungen, Vergewaltigungen, Folter, Zwangsarbeit und Plünderungen durch Sicherheitskräfte. Und wie im westlichen Rakhine-Staat gebe es kaum Zugang für humanitäre Hilfe.
Regierung wolle Waffenstillstand
Die Nachrichtenagentur AP zitiert einen Sprecher des Präsidenten, der Menschenrechtsverletzungen zugibt, aber beide Seiten dafür verantwortlich macht. Die Regierung sei daran interessiert, den Krieg zu beenden. "Deshalb drängen wir die bewaffneten Gruppen, einen landesweiten Waffenstillstand zu unterzeichnen."
Trotz wiederholter Friedensgespräche weigert sich die KIA, ein solches Abkommen zu unterzeichnen - unter anderem, weil die Armee einige aufständische Gruppen nicht anerkennt, mit denen die KIA verbündet ist.
Auf Worte folgten keine Taten
Als Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi 2016 ins Amt kam, schien es ihre oberste Priorität zu sein, Frieden zu schließen. Doch seitdem haben sich die Konflikte mit den Rebellen intensiviert.
An diesem Wochenende trifft sich die Gemeinschaft der Südostasiatischen Staaten (Asean) in Singapur. Dort soll es auch um die Flüchtlingskrise in Myanmar gehen. Suu Kyi nimmt allerdings nicht Teil. An ihrer Stelle kommt der neue Präsident Win Myint.
ust/as (afp, ap, rtr, brockhaus.de, ohca.org)