Tausende Festnahmen in Russland
31. Januar 2021Bei neuen Massenprotesten gegen die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny sind laut Menschenrechtsaktivisten mehr als 5000 Menschen in ganz Russland festgenommen worden. Das sind gut 1000 mehr als bei den Demonstrationen vor einer Woche.
Allein in der Hauptstadt Moskau wurden laut der Nichtregierungsorganisation Owd-Info weit mehr als 1500 Demonstranten festgesetzt. Mehr als 860 Festnahmen listete das Portal für Sankt Petersburg im Nordwesten des Landes auf. In mehr als 50 Städten wurden demnach Festnahmen registriert.
Bei eisigen Temperaturen und Schneefall skandierten die Demonstrierenden "Russland ohne Putin!", "Russland wird frei sein" und "Freiheit für alle politischen Gefangenen!". Besonders hart ging die Polizei laut Aktivisten in Sankt Petersburg vor, der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin. Dort kamen Tränengas und Elektroschocker zum Einsatz.
Zudem seien in der Hauptstadt 31 Menschen in einem viel zu engen Gefangentransporter eingesperrt worden, kritisierten Aktivisten. In Kasan etwa 700 Kilometer östlich von Moskau hätten festgenommene Studenten sich ausziehen und Handys sowie ihre Habseligkeiten abgeben müssen. Landesweit kamen auch Dutzende Journalisten in Polizeigewahrsam, die von den Protesten berichteten.
Unter den Festgenommenen in Moskau war auch wieder Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja. Sie war bereits bei den Demonstrationen vor einer Woche vorübergehend in Gewahrsam gekommen. Die 44-Jährige hatte bei Instagram ein Foto von sich auf der Straße veröffentlicht und kritisiert, dass ihr Mann inhaftiert sei. Sie kam erst nach mehreren Stunden wieder frei.
Nach Angaben von Nawalnys Team gab es in rund 100 Städten Aktionen für eine Freilassung des Oppositionellen. Die Menschen protestierten aber auch gegen Korruption, Justizwillkür und die Unterdrückung Andersdenkender unter Präsident Putin.
Marsch zum Untersuchungsgefängnis
Weil die Moskauer Innenstadt abgesperrt war, hatten sich die Menschen an verschiedenen Punkten der Stadt versammelt und Protestmärsche gebildet. Ein Zug mit Tausenden Teilnehmer marschierte zum Moskauer Untersuchungsgefängnis Nummer Eins, wo Nawalny in Haft ist. Die Sicherheitskräfte hatten die Zufahrten zum Gefängnis gesperrt. Es kam zu einzelnen Zusammenstößen mit Protestierern. Der Ort galt als der am stärksten bewachte in Moskau.
Trotz Drohungen der Polizei waren auch in anderen russischen Städten Menschen zu Tausenden auf den Straßen. In Jektarinenburg am Uralgebirge etwa waren es mehr als 10.000 Bürger, wie Abgeordnete der Stadt berichteten. Der ehemalige Bürgermeister Jewgeni Roisman sagte, dass es deutlich mehr Menschen gewesen seien als am Samstag vor einer Woche.
Auch in Berlin kam es zu Pro-Nawalny Kundgebungen. Laut Polizei gab es eine kleinere und eine größere Demonstration, Teilnehmerzahlen wurden nicht genannt. In einer Aktion zeigte sich ein Demonstrant als Präsident Putin verkleidet hinter Gittern - das war als Forderung gemeint, Putin vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft zu ziehen. Auf Transparenten wurde Freiheit für Nawalny gefordert. Ziel der größeren Demo war die Russische Botschaft an der Prachtstraße Unter den Linden.
Kritik des Westens
Das Vorgehen der russischen Behörden steht in westlichen Ländern in der Kritik. Die USA, die EU und die Bundesregierung haben mehrfach die Freilassung Nawalnys und seiner friedlichen Unterstützer verlangt. Wegen der Vergiftung mit dem international geächteten Nervengift Nowitschok hat die EU bereits Sanktionen gegen ranghohe russische Funktionäre verhängt. Es drohen bei einer Gefängnisstrafe für Nawalny und den Verstößen gegen Menschenrechte weitere Sanktionen.
Nawalny war vor genau zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte, verhaftet worden. Der 44-Jährige macht Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Verbrechen verantwortlich. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück.
uh/qu (dpa, afp, rtr)