Taliban verbieten Proteste in Afghanistan
9. September 2021Die militant-islamistischen Taliban haben alle Proteste in Afghanistan "bis auf Weiteres" verboten. In der ersten offiziellen Erklärung des Innenministeriums nach der Regierungsbildung wird zugleich mit strengen Strafen bei Verstößen gedroht. Die neuen Herrscher begründen ihre Entscheidung damit, bei den Demonstrationen der vergangenen Tage seien die öffentliche Ordnung gestört und Menschen belästigt worden.
Tausende Afghanen waren in der Hauptstadt Kabul und mehreren Provinzen für die Rechte von Frauen, gegen den Einfluss des Nachbarlandes Pakistan und für Freiheit auf die Straße gegangen.
Taliban-Kämpfer gingen immer wieder auch mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Journalisten wurden verprügelt, einige Reporter vorübergehend festgenommen. Die größten lokalen TV-Sender stellten am Mittwoch die Berichterstattung über die Proteste in Kabul ein, wie Anwohner erklärten.
Frauen bekommen keinen Lohn mehr
Auch die Rechte der Frauen werden massiv beschnitten. Damit sie nicht arbeiten gehen, werde ihnen einfach kein Einkommen mehr gezahlt, teilten Betroffene mit. Frauen dürften ohne männliche Begleitung das Haus nicht mehr verlassen, hieß es weiter.
"Ich habe meine Arbeit aufgegeben, weil es kein Gehalt gibt. Es gibt überhaupt kein Gehalt mehr", erklärte Latifa Alisada, die vor der Machtübernahme der Taliban als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Kabul gearbeitet hat. "Wir erhalten jeden Tag Berichte über Rückschritte bei den Frauenrechten", beschrieb die in Kabul ansässige UN-Frauenrechtlerin Alison Davidian in einer Videokonferenz der Vereinten Nationen die Lage.
Zahlreiche Hilfs-, Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen drängen die deutsche Regierung weiter, Hilfsbedürftige rasch aufzunehmen. Viele gefährdete Menschen säßen immer noch mit ihren Familien in dem Land fest, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf. Zu den Schutzbedürftigen zählten etwa Mitarbeitende von Partnerorganisationen, Frauen- und Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Ortskräfte. Auch Angehörige von in Deutschland lebenden Afghanen seien in Gefahr, warnen die Organisationen.
Verzweifelte Hilferufe
Die Unterstützer des Aufrufs - darunter Caritas, Diakonie, Misereor, Amnesty International, Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte - berichten von Tausenden verzweifelten Hilferufen, die sie in den vergangenen Wochen erreicht haben. Konkret verlangen die Organisationen von der Bundesregierung, sich für zivile Flüge aus Afghanistan oder den benachbarten Staaten einzusetzen. Auch müssten die Menschen die Nachbarländer sicher erreichen können.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) will seine Arbeit am Hindukusch trotz Taliban-Herrschaft fortsetzen. "Wir dürfen die Kinder in Afghanistan in dieser sehr unsicheren Situation nicht allein lassen", betonte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, in Köln.
se/AR (afp, kna, dpa, epd)