Taliban geben sich geläutert
23. Dezember 2012Totale Diktatur, öffentliche Hinrichtungen, völlige Unterdrückung der Frauen, der Koran als Vorwand für allgegenwärtigen Terror: So kennt die Welt die radikal-islamischen Taliban, wie sie bis 2001 Afghanistan knechteten. Da wurden ihre jüngsten Erklärungen in Paris über einen Verzicht auf die Rückeroberung der Alleinherrschaft, über Frieden und Toleranz mit großer Skepsis aufgenommen. Aufmerksam verfolgt wurden aber ihre Vorschläge für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch. So sprach zum Beispiel die Zeitung "New York Times" vom "weitreichendsten" Angebot, das die Taliban-Führung jemals gemacht habe.
Nach und nach wurden Details der Verlautbarungen der Taliban während und nach der Konferenz in Frankreich bekannt. Auch in Kabul wurden Manuskripte den Korrespondenten zugespielt. Die Repräsentanten der Radikal-Islamisten sprachen demnach mit Zustimmung und im Namen des Taliban-Führers Mullah Omar. Sie waren am Donnerstag und Freitag in Paris mit Vertretern der Regierung in Kabul, afghanischen Parlamentariern und Oppositionellen zusammengekommen.
Verzicht auf Macht-Monopol
Zentrales Element der Taliban-Erklärung: Sie bekunden Bereitschaft, in einer nationalen Regierung mitzuwirken, die alle Afghanen vertrete. Man wolle die "Macht nicht monopolisieren", wird beteuert. Voraussetzung sei aber eine neue Verfassung nach islamischen Prinzipien. Diese müsse zudem "auf nationalen Interessen, sozialer Gerechtigkeit und historischen Errungenschaften" beruhen und gleiche Rechte für alle ethnischen Gruppen garantieren. Die derzeitige Verfassung sei unter dem Druck der alliierten Truppen im Land geschrieben worden und daher nicht akzeptabel.
Mullah Omar, der derzeit in Pakistan vermutet wird, achte seine politischen Gegner. "Er verlangt ein gegenseitiges Verständnis und fordert sie auf, sich ihm bei der Verteidigung des Landes anzuschließen", heißt es in der Mitteilung.
Eine neue Ära für die Frauen?
Die Extremisten geben zudem vor, sie achteten "die Rechte der Frauen, die der Islam ihnen zugesteht". Eine Frau verfüge im Islam über das Recht zu heiraten, habe ein Besitzrecht, Erbrecht sowie ein Recht auf Bildung und Arbeit. Frauen solle es also erlaubt werden, zur Schule zu gehen und einen Beruf auszuüben, heißt es da überraschend moderat.
In der letzten Zeit waren vermehrt Berichte aufgetaucht über Differenzen, Spaltungen und Machtkämpfe innerhalb der Taliban, über ein Auseinanderdriften von militärischer und politischer Führung. Angebote zum Kompromiss könnten daher nur die Meinung gemäßigter Fraktionen oder Clan-Führer sein, oder aber auch nur taktische Spielereien vor dem endgültigen Abzug der NATO-Truppen.
Seit die Taliban im Oktober 2001 von US-geführten Truppen aus Kabul vertrieben wurden, bekämpfen sie die vom Westen unterstützte afghanische Regierung. "Ausländer und die Regierung in Kabul sind nicht am Frieden interessiert", heißt es denn auch in den vorgelegten Redetexten. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai besitze keine Legitimation, alle fremden Truppen müssten das Land verlassen.
Die NATO will ihren Kampfeinsatz Ende 2014 beenden, danach sollen Soldaten nur noch zur Beratung und Ausbildung von einheimischen Streitkräften im Land bleiben.
SC/jh (ape, afpf, dpa)