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Tag der Krawatte: Vom Statussymbol zum Modeaccessoire

18. Oktober 2023

Manager und Politiker tragen Krawatte, zu besonderen Anlässen gehört sie zum guten Ton. Wird sie gelockert oder gar ausgezogen, wird aus dem Schlipsträger bisweilen ein anderer Mensch.

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Viele bunte Krawatten sind nebeneinander aufgehängt
Wer die Wahl hat ...Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Schon vor über 2000 Jahren banden sich Männer Schals oder Tücher um den Hals. Erste Krawattenvorläufer sind bei Soldaten der berühmten Terrakotta-Armee zu sehen: Viele der 8000 Krieger aus Ton, die das Grab des ersten chinesischen Kaisers Qin Shi Huang Di bewachten, tragen kleidsame Schals um den Hals.

Einige Tonsoldaten der Terrakotta-Armee im Mausoleum Qin Shihuangdis, an einigen der Figuren sind deutlich Halstücher zu erkennen.
Kunstvoll gebundene Schals zieren seit mehr als 2000 Jahren MännerhälseBild: /Penghua/SIPA Asia/ZUMA Wire/dpa/picture alliance

Auch in der Antike war das Herrenhalstuch in Mode, so bei den Römern.  Die Trajanssäule in Rom aus dem Jahr 113 n. Chr. zeugt davon: Auf der 40 Meter hohen Säule, versehen mit zahlreichen Reliefs, sind auch Legionäre mit einem zusammengeknoteten Tuch um den Hals zu sehen.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) trugen kroatische Söldner Halstücher - was beim französischen König Ludwig XIV. auf großes Interesse stieß, sagt die Legende. Er soll die seidenen Tücher der kroatischen Soldaten so apart gefunden haben, dass er sie später in die höfische Mode einführte. Sie wurden zu einem kunstvollen Kragenschmuck gebunden, manchmal noch mit Spitze versehen. Der heutige Name der Krawatte soll aus jener Zeit stammen: Die gebundenen Tücher bezeichnete man als "à la cravate"-getragen - was soviel bedeutet wie "nach kroatischer Art".

Ludwig XIV. sitzt in barocker Kleidung auf einem Sessel, umgeben von weiteren prächtig gekleideten Männern, einige von ihnen tragen zu Schleifen gebundene Halstücher.
Noch nicht viel Ähnlichkeit mit der heutigen Krawatte: der Kragenschmuck Ludwigs XIV.Bild: Jean-Claude Varga/akg-images/picture alliance

Der Schlips soll Vertrauen wecken

Die Krawatte, wie wir sie heute kennen, kam erst im 19. Jahrhundert in Mode. Zunächst als kurzes, breites Stöffchen getragen, wurde der Schlips mit der Zeit immer länger und schmaler. Heute trägt man die Krawatte mal lang und schmal, mal breiter, mal kürzer, bunt gemustert oder unifarben - ganz nach Geschmack oder aktueller Herrenmode.

Ob als modisches Accessoire oder als Statussymbol: Die Krawatte wirkt seriös, macht älter, ernster und irgendwie reifer. In bestimmten Berufen ist es Pflicht, Krawatte zu tragen: als Manager, Banker, Nachrichtensprecher, Vertreter und Politiker. Schwer vorstellbar, dass ein Nachrichtensprecher im Fernsehen mit offenem Hemdkragen auftritt oder dass Bankkunden beim Kreditgespräch einem lässigen Flip-Flop-Träger mit T-Shirt gegenübersitzen.

Auch das Nichttragen der Krawatte hat Symbolkraft

Die Symbolkraft einer Krawatte aber endet nicht mit dem Lockern oder Ablegen. Denn auch das Nichttragen einer Krawatte hat Bedeutung. Wenn etwa der ehemalige US-Präsident Barack Obama 2011 im Weißen Haus live dabei ist, wie eine US-Spezialeinheit den damals meistgesuchten Terroristen Osama Bin Laden aufspürt und erschießt. Das Foto aus dem "Situation Room" ging um die Welt. Inmitten seines Stabs sitzt der sonst stets akkurat gekleidete Obama im Poloshirt mit Sportblazer auf seinem Stuhl und beobachtet gebannt die Geschehnisse auf dem Bildschirm. Kein präsidiales Gehabe: In diesem politisch wichtigen Moment ist er auf Augenhöhe mit den anderen, ein Teamplayer.

Mehrere Personen, darunter Brack Obama, sitzen um einen Tisch herum und schauen gebannt in eine Richtung.
Das berühmte Foto "Situation Room"Bild: Pete Souza/White House/AP/picture alliance

Viele Politiker legen gerne mal die Krawatte ab, um "einer von uns" zu sein. Auch das weckt Vertrauen und macht den Volksvertreter nahbarer und menschlicher.

Schnippschnapp - Krawatte ab

Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Krawatte zum Symbol des bürgerlichen Establishments. Sie war Spießbürgern und Bürokraten vorbehalten, während die Männermode ansonsten bunter und lässiger wurde. Hippies und Flower-Power bestimmten das Outfit, und die 68er-Bewegung sagte dem Schlips den Kampf an.

Mehrere Frauen stehen um einen verzweifelt blickenden Mann herum und schneiden ihm lachend die Krawatte ab.
Karnevalsauftakt: eine gute Gelegenheit für Männer, hässliche Krawatten loszuwerdenBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture-alliance

Am radikalsten gehen Frauen an Weiberfastnacht - zu Beginn des Karnevals - gegen die Krawatte vor: Sie schneiden sie ab und berauben die Männer symbolisch ihrer Macht. Dieser Brauch geht auf die Zeit zurück, in der Frauen begannen, für ihre Gleichberechtigung zu kämpfen. In diesem Fall sollen es die hart arbeitenden Wäscherinnen aus Bonn-Beuel gewesen sein, die 1824 erstmals das Bonner Rathaus stürmten und der - rein männlichen - Obrigkeit ihre Krawatten abschnitten. Bis heute ist der Rathaussturm ein berühmter Bonner Karnevalsbrauch - und das Krawattenabschneiden gehört in den Karnevalshochburgen zur Tradition.

Krawatten als Zeichen des Respekts

Hochzeiten, Beerdigungen, Bewerbungsgespräche - das Tragen einer Krawatte gehört auch heute noch zum guten Ton. Symbolisiert sie einerseits Macht und Seriosität, gilt sie auch als Zeichen für Respekt. Wird auf einer Hochzeit kein anderer Dresscode verlangt, sollte Mann Krawatte tragen. Ebenso bei Beerdigungen. Auch bei Bewerbungen ist gepflegtes Auftreten von Vorteil, und wer in der Finanzbranche arbeitet, sollte sowieso eine Krawattensammlung im Schrank haben.

Bild mit dem Titel "Femme à la cravate rouge", eine Frau sitzt auf einem Bett und trägt eine rote Krawatte.
Schon im 19. Jahrhundert trugen Frauen Krawatten, wie dieses Bild Édouard Vuillards (um 1899) zeigt. Der Titel: "Femme à la cravate rouge" (Frau mit roter Krawatte)Bild: akg-images/picture alliance

Während Männer in bestimmtem Situationen dem Krawattenzwang unterliegen, sind Frauen gänzlich befreit davon. Als freiwillig gewähltes Modeaccessoire wird die Krawatte auch gern von Frauen benutzt; laut dem Modeblog "krawatten-ties.com" sind Damenkrawatten äußerst begehrt. Sie sind schmal und kurz oder auch - wie im Stil der 1970er-Jahre - besonders breit und mit bunten, meist floralen Mustern besetzt, werden locker gebunden und sitzen nicht oben am Kragen.

Ob Zwang oder nicht: Längst ist die Krawatte zum modischen Accessoire geworden. Die meistgetragene Krawattenfarbe ist zwar Dunkelbau - und damit kann man nichts falsch machen - doch wer modische Statements setzen will, wählt bunte Farben und Muster, bis hin zu Tiermotiven.

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Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online