Serben und Kroaten kämpfen im Ukraine-Krieg
28. Januar 2023Ein roter Totenkopf auf schwarzem Hintergrund: Das ist das Emblem der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner. Seit Jahren greift diese Privatarmee in vielen Ländern der Welt in Konflikte ein und verbreitet Angst und Schrecken. Auch in der Ukraine kämpft sie an der Seite der regulären russischen Armee.
Bereits nach dem russischen Angriff am 24.02.2022 tauchten Wandgemälde in Serbiens Hauptstadt Belgrad auf, mit denen die Gruppe gefeiert wurde. Rekrutiert "Wagner" serbische Freiwillige für den Krieg in der Ukraine? Videos, die in den sozialen Medien verbreitet werden, scheinen dies zu belegen. Sie zeigen serbische Kämpfer in russischen Einheiten in der Ukraine. Meist sprechen sie auf Serbisch über ihre Ausbildung und ihre Motive für die Teilnahme am Krieg.
Die serbischen Behörden haben sich bis heute nicht zu diesen Auftritten geäußert - nach Ansicht von Kritikern aus Rücksicht gegenüber der traditionell starken pro-russischen Stimmung in Serbien. Die gilt auch als Grund dafür, dass das EU-Kandidatenland bis heute keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat.
Dienst in fremden Armeen ist für Serben illegal
Am Konflikt in der Ukraine beteiligen sich Staatsbürger Serbiens aktiv bereits seit der Besetzung und Annexion der Halbinsel Krim 2014. Dabei ist es Serbinnen und Serben per Gesetz verboten, in ausländischen Armeen zu dienen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums und der Sicherheitsbehörden in Belgrad werden alle Informationen über in der Ukraine kämpfende Landsleute sorgfältig gesammelt.
Wie viele Personen die serbischen Behörden bislang erfasst haben, wurde nicht veröffentlicht. Die Botschaft der Ukraine in Serbien schätzte 2019, dass sich etwa 300 Personen aus Serbien an dem Krieg beteiligen, der damals bereits im Osten Ukraine herrschte - allesamt auf Seiten Russlands. Laut Sicherheitsbehörden sind bisher mehr als 30 Urteile wegen Beteiligung am Ukraine-Krieg ergangen. Das hindert rechtsextreme Organisationen nicht daran, in sozialen Netzwerken für die Gruppe Wagner zu werben.
Wagner-Chef dementiert Rekrutierung in Serbien
Dass "Wagner" selbst Kämpfer in Serbien rekrutiere, wurde mittlerweile vom Gründer der Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, dementiert. Und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic verurteilte öffentlich eine Wagner-Rekrutierungsreklame auf den Webseiten des serbischen Dienstes des staatlichen russischen Medienproviders Russia Today (RT), die mittlerweile gelöscht wurde.
Auch eines der Wagner-Embleme in Belgrad wurde inzwischen übermalt. Bereits zuvor hatten Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe "Russen, Ukrainer, Belarussen und Serben gemeinsam gegen den Krieg" gegen die Grafitti protestiert. In dieser Gruppe haben sich Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation, Belarus und der Ukraine zusammengeschlossen, die vor dem Regime von Präsident Wladimir Putin nach Serbien geflohen sind.
Serbische Antikriegsaktivisten haben zudem Strafanzeigen gegen eine Reihe von serbischen Staatsbeamten gestellt: Sie werfen ihnen vor, die Rekrutierung von Freiwilligen für den Krieg in der Ukraine nicht verhindert zu haben. Die Aktivisten wenden sich auch gegen diverse rechtsgerichtete Organisationen in Serbien, die sie beschuldigen, das Image der Wagner-Gruppe in der Öffentlichkeit zu fördern. Dies stelle den Versuch der Mobilisierung serbischer Staatsbürger für einen Krieg im Ausland dar und sei somit illegal.
Kroatien unterstützt die Ukraine
Das benachbarte EU- und NATO-Mitglied Kroatien trägt die Russland-Politik der Europäischen Union vollständig mit. Sowohl die Regierung in der Hauptstadt Zagreb als auch die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger setzen sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor fast einem Jahr für die ukrainischen Menschen ein, die nach Kroatien geflohen sind. Auf dem Arbeitsmarkt wurden die Flüchtlinge sogar kroatischen Staatsbürgern gleichgestellt.
In der Ukraine kämpfen auch Kroatinnen und Kroaten - meist auf der Seite der angegriffenen Ukrainer. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 strahlten private TV-Sender Interviews mit mehreren Dutzend Personen aus, die sich den ukrainischen Streitkräften angeschlossen hatten oder auf dem Weg in die Ukraine waren, um das zu tun. Inoffiziell war von 70 bis 80 ukrainischen Kämpfern mit kroatischer Staatsbürgerschaft die Rede.
Freiwillige aus Kroatien kämpften teils schon 2014 in der Ukraine
Die Interviews und andere Medienberichte legen nahe, dass es sich um dieselben Personen handelt, die sich schon zu Beginn der Ukraine-Krise im Jahr 2014 in gleicher Weise engagiert hatten. Offizielle und vor allem genaue Angaben dazu, wie viele kroatische Freiwillige dorthin gereist sind, gibt es allerdings nicht.
Laut russischen Medien haben sich die meisten Kämpfer, die seit Ende Februar 2022 aus Kroatien in der Ukraine angekommen sind, dem Regiment Asow angeschlossen. Laut Verteidigungsministerium in Moskau handelt es sich um etwa 200 Personen. Denis Seler, der Ex-Chef der Fans des Fußballclubs Dinamo Zagreb, der seit 2014 immer wieder auf der Seite der Ukraine gekämpft hat, hält diese Zahl allerdings für übertrieben.
Moskau bezeichnet den Rechtsextremen als "Organisator der kroatischen Söldner" in der Ukraine. In der kroatischen Tageszeitung Vecernji List begründet Seler selbst sein Engagement für die Ukraine mit dem Satz: "In der Ukraine wird ein Kampf um die weiße europäische Rasse, ihre Kultur und Geschichte geführt".
Kroatische Regierung warnt vor Kriegsteilnahme
Kroatiens Behörden haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an einem Krieg in der Ukraine ein extrem riskantes Unterfangen auf eigene Gefahr ist. Dementsprechend diskret wurden die Verhandlungen über die Rückkehr des Kroaten Vjekoslav Prebeg in sein Heimatland geführt, der als ukrainischer Kämpfer in der Nähe von Mariupol gefangen genommen und vor ein russisches Gericht gestellt worden war. Im September 2022 durfte Prebeg nach einem Gefangenenaustausch nach Kroatien zurückkehren.
Einige wenige kroatische Staatsbürger haben sich den russischen Streitkräften angeschlossen. In die Öffentlichkeit schaffte es einzig Mirela Jakupanec, die sich als Sanitäterin auf Seiten Russlands engagiert. Einige Quellen bezeichnen sie als Krankenschwester, andere als Ärztin. Ihre pro-russischen Aussagen wurden hauptsächlich von Portalen verbreitet, die für Fake News und Kreml-Propaganda bekannt sind.
Trotz aller Solidarität mit Kiew sind ukrainische Soldaten in Kroatien nicht willkommen. Das Parlament in Zagreb lehnte einen Antrag der Regierung ab, Ukrainer im Rahmen der europäischen Mission EUMAM auf kroatischem Territorium ausbilden zu lassen. Meinungsumfragen hatten zuvor ergeben, dass fast 60 Prozent der befragten Kroatinnen und Kroaten das Vorhaben ablehnten.
Im Gegensatz zur Zagreber Regierung vertritt Kroatiens Präsident Zoran Milanovic öffentlich die These, dass es sich beim Krieg in der Ukraine um einen Stellvertreterkrieg Washingtons gegen Moskau handele. Dafür wurde er unter anderem von Russlands Außenminister Sergej Lawrow gelobt.