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Syrische Pässe: Deutsches Geld finanziert Kriegsverbrechen

Cathrin Schaer
1. April 2024

Für neue Pässe müssen Syrer in Deutschland sich an ihre Regierung wenden, die sie oft inhaftierte und folterte. Das Geld fließt an das brutale Regime von Diktator Bashar al-Assad.

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Eine Hand hält einen syrischen Pass
Wenn Menschen aus Syrien die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen, brauchen sie einen aktuellen syrischen PassBild: Jens Wolf/dpa/picture alliance

Schon zu Schulzeiten war Adam Yasmin politisch interessiert. Als 2011 die pro-demokratischen Proteste in Syrien begannen, organisierte er in seiner Heimatstadt Jableh Demonstrationen - obwohl das wegen der Sicherheitskräfte, die loyal zu DiktatorBashar al-Assad standen, gefährlich war.

Als sich der friedliche Aufstand in Syrien in einen brutalen Bürgerkrieg verwandelte, wurde Yasmin verhaftet und gefoltert. Da war er 16 Jahre alt.

"7 Monate war ich im Gefängnis und das war die schlimmste Erfahrung meines Lebens," erzählt er der DW. "Und das alles nur, weil wir Freiheit, Demokratie und das Ende des diktatorischen Regimes wollten."

Als er freikam, floh Yasmin und landete schließlich in Deutschland. Heute ist er 27, lebt in Freiburg, im Süden Deutschlands, spricht fließend Deutsch, hat sein Abitur gemacht und studiert inzwischen. Vor 18 Monaten beantragte er die deutsche Staatsbürgerschaft und erfuhr, dass er dafür nur noch eine Sache braucht: einen syrischen Pass. 

Kein deutscher Pass ohne syrischen Pass

Seinen alten syrischen Ausweis und eine Geburtsurkunde hatte er schon vorgelegt. "Aber das reichte nicht, sie sagten, ich bräuchte einen (Ausweis). Ich habe mich geweigert. Auf gar keinen Fall werde ich der syrischen Regierung Geld geben, nach allem, was sie mir angetan haben. Das ist eine rote Linie", sagt Yasmin. "Alles, was ich durchgemacht habe, würde dadurch bedeutungslos."

In Deutschland und nach internationalem Recht, sollten Menschen, die offiziell als Flüchtlinge anerkannt wurden, niemals gezwungen werden zur Botschaft des Landes zu gehen, aus dem sie geflohen sind. Yasmin prüft seine rechtlichen Möglichkeiten. 

Porträt von Adam Yasmin
Adam Yasmin hat ein freiwilliges soziales Jahr in Deutschland absolviert und ist Mitglied der Jungen SozialdemokratenBild: Privat

Und er ist keineswegs allein mit seinem Anliegen. Für Syrer, die in Deutschland "subsidiären Schutz" genießen, kann die Situation sogar noch schwieriger sein. "Subsidiärer Schutz" ist eine Art niedrigerer Flüchtlingsstatus, den Menschen bekommen, die ihr Land wegen einer Gefahrenlage dort, zum Beispiel einem Bürgerkrieg verlassen haben, die aber nicht als Individuum bedroht sind. 

Von den über 900.000 Syrern, die in Deutschland leben, hat die Mehrheit - etwa 640.000 - irgendeine Art von befristetem Aufenthaltsstatus, meistens den subsidiären Schutz. Die deutschen Behörden sagen, dass sie alle einen Pass von der syrischen Regierung brauchen. 

Deutschlands Innenministerium erklärte auf Anfrage der DW, dass jeder souveräne Staat das Recht hat, seine eigenen Pässe auszustellen und dafür Gebühren zu verlangen. Und weil Syrern unter subsidiärem Schutz keine direkte Gefahr von ihrer Regierung drohe, sei es "zumutbar", dass sie einen syrischen Pass bräuchten. 

Pässe finanzieren Kriegsverbrechen

Eines der wichtigsten Argumente gegen Deutschlands strenge Pass-Regeln für Syrer sind die Gebühren - die letztlich dem Regimes Assads zugute kommen. Syrische Pässe gehören zu den teuersten der Welt. Ein neuer Pass von der syrischen Botschaft in Deutschland kann zwischen 265 und 1000 Euro kosten und ist häufig nur zwei Jahre gültig. Zum Vergleich: Deutsche bekommen einen neuen Pass für etwa 100 Euro und der gilt dann für zehn Jahre. 

Bei einer landesweiten Kampagne von deutschen Flüchtlingshilfsorganisationen 2022 - #DefundAssad (übersetzt in etwa: "Keine Finanzierung für Assad") - hieß es, dass rund 85 Millionen Euro pro Jahr durch die deutschen Regelungen in die Kassen des Assad-Regimes fließen könnten.

Karam Shaar, Experte für die politische Ökonomie in Syrien, hat bei seinen detaillierten Untersuchungen auch Faktoren wie die Gültigkeitsdauer von Pässen, die Anzahl der Menschen aus Syrien, die in einem Alter sind, in dem sie einen Pass brauchen, und den Asylstatus berücksichtigt. Nach seinen Berechnungen bekommt das Assad-Regime weniger als von den Flüchtlingsorganisationen geschätzt. Er geht von 14 bis 37 Millionen Euro pro Jahr aus. 

Unbestritten sei aber, sagt Schaar, dass die Pässe für das syrische Regime während des Bürgerkrieges zu einer guten Einnahmequelle wurden. "In Syriens Staatshaushalt stiegen die staatlichen Einnahmen durch Konsulardienste - die überwiegend mit der Ausstellung und Verlängerung von Pässen zu tun haben - von 0,4 Prozent im Jahr 2010 auf 5,4 Prozent im Jahr 2023."

Es war nicht immer so. Bis 2018 gingen Beamte in mehreren Bundesländern, darunter auch in Berlin, davon aus, dass es „unzumutbar“ sei, neue syrische Pässe zu verlangen. Stattdessen erhielten Syrer meist einen grauen „Ausländerpass“. In anderen Bundesländern, darunter auch Bayern, mussten Syrer allerdings neue Pässe bekommen.

2018 hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer von der konservativen CSU (Christlich-Soziale Union) entschieden, dass ein einheitlicherer Ansatz nötig sei und wies die Behörden an, den bayrischen Ansatz zu übernehmen. 

Seehofer war stolz auf seine harte Migrationspolitik und verschärfte die Passregeln 2019 nochmals. Zum Teil, um die Ausweisung von Migranten leichter zu machen, denn in Deutschland können Menschen nicht ausgewiesen werden, wenn sie keine offiziellen Dokumente haben. 

Wie sieht die Lösung aus?

Marisa Raiser, eine der Aktivistinnen hinter der Kampagne #DefundAssad sagt: "Das Argument lautete, dass alle Bundesstaaten einheitlich handeln sollten. Aber das hätten sie auch in die andere Richtung tun können,“ erklärt sie. Tatsächlich müssen sich etwa Menschen aus Afghanistan nicht an ihre Botschaft wenden, wenn sie einen neuen Pass brauchen, hat Raiser festgestellt. Für sie wird das als "unzumutbar" angesehen, weil Afghanistan von den Taliban regiert wird.

"Wir haben mit Politikern gesprochen und jeder versteht die Tragik darin und will nicht, dass irgendjemand hier Geld an die syrische Regierung schickt," erklärt Raiser der DW. "Sie sagen, sie wollen es ändern."

Doch das Innenministerium scheine zu blockieren, obwohl es noch nicht einmal ein neues Gesetz brauche, berichtet Raiser. Ein Sprecher des Ministeriums sagte der DW, dass deutsche Behörden Ersatzdokumente ausstellen könnten, wenn ein Besuch bei der Botschaft des Heimatlandes als unzumutbar angesehen werde. Aber: "Die betreffenden Personen müssen konkrete Beweise für alle Gründe und besonderen Umstände vorlegen, die für sie sprechen."

Doch in der Praxis, sagen Syrerinnen und Syrer, komme es fast nie vor, dass die Behörden die Situation als unzumutbar anerkennen und daher sei die Lage weiter frustrierend für sie.