Idlib: Grenze für Hilfslieferungen bleibt offen
9. Juli 2021Seit mehr als zehn Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Besonders umkämpft: die Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Die Stadt gilt seit Jahren als letzte verbliebene Rebellenhochburg im Land. In ihrem Umland leben zurzeit drei bis vier Millionen Menschen, über ein Viertel von ihnen in überfüllten Flüchtlingslagern.
Kampf auf Leben und Tod
Überleben können die Menschen in der Provinz allein dank internationaler Hilfslieferungen. Doch diese kommen nur über einen einzigen Grenzübergang namens Bab al-Hawa. Dieser liegt an der Grenze zur Türkei, rund 40 Kilometer westlich der Stadt Idlib. Dass diese Hilfen überhaupt geliefert werden dürfen, muss jährlich neu im UN-Sicherheitsrat verhandelt werden. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen versuchen immer wieder, auf diese prekäre Situation aufmerksam zu machen.
Der einzige Weg
2014 hatte der UN-Sicherheitsrat beschlossen, vier Grenzübergänge für humanitäre Hilfslieferungen nach Syrien offenzuhalten. In den ersten Jahren gelangten die Hilfen über diese vier Wege aus der Türkei, dem Irak und Jordanien nach Syrien. Heute ist aufgrund einer russischen Blockadehaltung nur noch einer geöffnet. Seit 2014 ist es für Hilfsorganisationen immer schwerer geworden, Lebensmittel und Medikamente in die umkämpfte Provinz zu liefern. Moskau als wichtigster Verbündeter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad möchte eigentlich, dass die Lieferungen durch die syrische Hauptstadt Damaskus geleitet werden und drohte daher, auch diesen letzten Grenzübergang nach Idlib per Veto im UN-Sicherheitsrat zu schließen.
Die entscheidenden Supermächte
Dies konnten die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates quasi in letzter Sekunde verhindern. Die Regelung zur Offenhaltung der Grenze wäre in der Nacht zu Samstag ausgelaufen. Nur wenige Stunden vor Ablauf der Frist einigte sich das Gremium auf eine Verlängerung der Resolution um weitere zwölf Monate. Dass Russland die Verlängerung der bestehenden Regelung akzeptierte, dürfte Beobachtern zufolge auch an den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Moskaus zur Türkei gelegen haben. Ankara befürchtet, dass eine Schließung des Grenzübergangs von Bab al-Hawa einen Strom von Flüchtlingen aus dem Nordwesten Syriens in die Türkei nach sich gezogen hätte.
Eine humanitäre Katastrophe
Auch Hilfsorganisationen hatten zuletzt eindringlich davor gewarnt, dass eine Nicht-Verlängerung des UN-Mandats sowohl in Idlib als auch in anderen Provinzen Syriens eine humanitäre Katastrophe auslösen würde. Amnesty International zufolge hätten in diesem Fall mindestens eine Million Menschen keinen Zugang mehr zu Lebensmitteln, Impfstoffen und Wasser gehabt. Laut Human Rights Watch sind rund drei Viertel der Menschen in der Provinz Idlib auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es gibt in der gesamten Provinz nur noch drei funktionierende Krankenhäuser.
Erst Ende Juni hatte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) erklärt, dass sich Syrien in Bezug auf die Ernährungssicherheit in der schlimmsten Situation seit Anfang des Krieges befinde. Der Sprecher des WFP, Tomson Phiri sagte, dass die Nahrungsversorgung für mehr als 10 Millionen Menschen nicht gesichert sei. "60 Prozent der syrischen Bevölkerung weiß nicht, ob sie morgen genug zu essen haben", so Phiri.