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Kleines Land, große Probleme

Philipp Sandner12. Juli 2014

Kritik an König Mswati III. ist im südafrikanischen Swasiland gleichbedeutend mit Terrorismus. Kleinste Vergehen bestraft der absolute Monarch mit Gefängnisstrafen. Die Welt lässt ihn gewähren.

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Demonstration in Swasiland Foto: Jinty Jackson/AFP/Getty Images
Bild: Jinty Jackson/AFP/Getty Images

Die "Vereinte Demokratische Bewegung des Volkes" (PUDEMO) ist die wichtigste oppositionelle Gruppe in Swasiland. Doch wer mit ihrem Generalsekretär sprechen will, muss eine südafrikanische Nummer wählen. Denn in ihrem Heimatland ist die PUDEMO als terroristische Organisation gelistet. Mlungisi Makhanya berichtet von ungeklärten Todesfällen in seiner Partei. Dass sein Leben gefährdet sei, sei Alltag für den PUDEMO-Generalsekretär: "Wer sich für die Freiheit des Swasi-Volkes einsetzt, muss mit der Möglichkeit leben, physisch Schaden zu erleiden", sagt Makhanya im Gespräch mit der DW. Die Kriminalisierung seiner Partei sei "nichts als eine List des Königs, um der wahren Stimme des Volkes ihre Legitimität abzusprechen."

Weil sie sich im Recht sieht, trotzt Swasilands Opposition immer wieder dem Verbot und organisiert Veranstaltungen. So auch am Tag der Arbeit 2014. Für PUDEMO-Präsident Mario Masuku und den Leiter der nicht zugelassenen Gruppe Swasi-Jugendkongress, Maxwell Dlamini, endete die Veranstaltung mit ihrer Verhaftung. "Nur weil sie politische Reden hielten und sich zu ihrer Partei bekannten, müssen sie sich nun dem Vorwurf des Terrorismus stellen", sagt Mark Beacon von der britischen Nichtregierungsorganisation "Taten für das südliche Afrika" (ACTSA). Für die Politiker bedeute das Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren. Bis Mitte September der Prozess beginnt, bleiben die beiden in Haft - wegen vermeintlicher Fluchtgefahr. PUDEMO-Generalsekretär Makhanya ist zurzeit auf Kaution frei. Er war im April verhaftet worden. Sein Verbrechen: Er hatte ein T-Shirt mit dem Namen seiner Partei getragen. Makhanya und andere Aktivisten hatten damit gegen die Verhaftung der Journalisten Bheki Makhubu und Thulani Maseko protestieren wollen, die kritische Texte über König Mswati veröffentlicht hatten.

Swasilands König Mswati III Foto: Ishara S.KODIKARA/AFP/GettyImages
Mswati III, der König von SwasilandBild: Ishara S.KODIKARA/AFP/GettyImages

Reformen stehen aus

Swasiland ist die letzte absolute Monarchie in Afrika. Seit 1986 regiert König Mswati III in dem nur rund eine Million Einwohner zählenden Zwergstaat. Sein Vater verbot bereits 1973 politische Parteien und rief den Notstand aus, der bis heute gilt. Mswati stützt sich auf ein sogenanntes Tinkhundla-System. "Das System wurde eingeführt, um ländliche Gemeinschaften näher an den König zu binden", sagt Christopher Vandome von der britischen Denkfabrik Chatham House. Über die Chiefs der 55 Verwaltungseinheiten, der so genannten Tinkhundlas, übe der König seine Autorität aus. "Alle Reformversuche sind an dieser traditionellen Autorität des Königs gescheitert", sagt Vandome. Tatsächlich begegne die ländliche Bevölkerung politischem Wandel und Parteien mit Misstrauen. Der König und das Tinkhundla-System genössen bei ihnen ein großes Ansehen.

Die Unterstützung für politische Parteien nehme zu, sagt hingegen Mark Beacon von ACTSA. "Mehr als das: Die Menschen fordern ein minimales Mitspracherecht über ihr Leben ein." Reformbedarf besteht in verschiedener Hinsicht. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut, die Arbeitslosenrate beträgt 40 Prozent. Der Anteil der AIDS-Infizierten an der Bevölkerung ist nirgendwo so hoch wie dort. Die fehlende Demokratie sei daher nicht das größte Problem des Landes, räumt Vandome ein. Dennoch: "Die ökonomischen Probleme sind unmittelbar mit den demokratischen Problemen verknüpft." Weil der König alle Fäden in der Hand halte, fänden die Belange und Bedürfnisse der Bevölkerung kein Gehör. Zwar gibt es auch ein Parlament, das aus zwei Kammern besteht. Doch einen Teil beider Kammern besetzt der König direkt und jede Entscheidung, die dort getroffen wird, bedarf seiner Zustimmung. Das Parlament diene nur dem Schein, um international demokratische Elemente vorzutäuschen, schimpft PUDEMO-Generalsekretär Makhanya.

Karte Swasiland DEU Swasiland in Süden Afrikas

"Es gibt andere Prioritäten"

Seit Jahren bewegt sich Swasiland nah am wirtschaftlichen Ruin. Doch immer wieder hätte es im letzten Moment einen Ausweg gegeben, so Vandome. Nun scheint das Land dem Abgrund wieder einen Schritt näher: Die USA erklärten im Juni, Swasilands Mitgliedschaft im wichtigen Handelsabkommen AGOA aufzukündigen - mit Wirkung zum 01.01.2015. Die Vereinigten Staaten wollen damit Menschenrechtsbrüche durch die Regierung, etwa das harsche Anti-Terrorismus-Gesetz, sanktionieren. Ein wichtiger Absatzmarkt für Swasilands Textilien dürfte damit wegbrechen. Die verarbeitende Industrie macht 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Schlecht sieht es auch für Zuckerexporte nach Europa aus, eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes: Ende des Jahres läuft die Vereinbarung einer Wirtschaftlichen Partnerschaft (EPA) mit der Europäischen Union aus, die bisher die Exporte erleichterte.

Bheki Makhubu Foto: DEBRA KHUMALO/AFP/Getty Images
Journalist vor Gericht: Bheki MakhubuBild: Debra Khumalo/AFP/Getty Images

Vandome ist jedoch skeptisch, ob der politische Druck aus Amerika reichen wird, um die nötigen Reformen anzustoßen. "Die Krise und die Menschenrechtsverletzungen sind einfach nicht so groß wie in anderen Ländern auf dem Kontinent", sagt der Wissenschaftler, "und das internationale wirtschaftliche Interesse hält sich in Grenzen." So gebe es in Swasiland keine nennenswerten Bodenschätze. Zwei Gründe, warum sich international nur wenige an König Mswatis autokratischem Regierungsstil stören. Zu Jacob Zuma, dem Präsidenten des großen Nachbarlandes Südafrika, pflege Mswati freundschaftliche Beziehungen, sagt Vandome. Und in anderen afrikanischen Staaten sei das Interesse an Swasiland gering: "Es gibt andere Prioritäten für das südafrikanische Staatenbündnis SADC. Die Demokratische Republik Kongo etwa oder Simbabwe." Zwei bekannte Krisenstaaten in der Region - die zudem über schier unendliche Bodenschätze verfügen.