USA lassen Afrikas Textil-Branche zittern
23. Juli 2012T-Shirts von Calvin Klein, Jeans von Levi's oder Unterhosen von Walmart: Seit Jahren schon produzieren Afrikas Textilfabriken für große amerikanische Mode-Labels oder Kaufhäuser. Den US-Textil-Markt beherrschen zwar nach wie vor die Asiaten, doch preislich können die Afrikaner inzwischen mit den Billig-Lieferanten Schritt halten - dank einer Klausel im US-Handelsgesetz AGOA ("African Growth and Opportunity Act"). Sie erlaubt es den Afrikanern, günstige Stoffe und Garne aus Drittstaaten wie China oder Indien einzuführen und sie für den amerikanischen Markt weiterzuverarbeiten - zu Jeans etwa, Bettwäsche oder T-Shirts. Am 30. September 2012 läuft die Klausel aus. Ob und wie lange ihre Laufzeit verlängert wird, ist bislang unklar.
Seit Wochen schon stehen deshalb viele Nähmaschinen in den afrikanischen Textilfabriken still. Die Auftragsbücher sind leer. Die amerikanischen Großkunden hätten für die Zeit nach September noch immer keine Bestellungen aufgegeben, sagt Rajeev Arora, Vorsitzender der Vereinigung afrikanischer Textil- und Kleidungsfabrikanten mit Sitz in Nairobi. "Wir verlieren dadurch 50 Millionen Dollar, 20 Millionen davon muss allein Kenia einbüßen, denn es ist der größte Exporteur in Afrika".
Warten auf die US-Politik
Arora vertritt Textilunternehmer aus 20 afrikanischen Staaten - von Ägypten bis Südafrika. Als Lobbyist ist er in den vergangenen zwei Jahren immer wieder in die USA gereist, hat für eine rechtzeitige Verlängerung der für die Branche so wichtigen Drittstaaten-Klausel geworben.
Warum haben US-Senat und -Kongress noch immer nicht entschieden? Ein Erklärungsversuch: "Die Verzögerung ist das Ergebnis der generellen Lähmung des US-Kongresses", sagt Witney Schneidman vom US-Think-Tank Brookings Institution in Washington D.C. "Niemand hat gesagt, dass eine Verlängerung den USA oder Afrika schaden würde. Jeder kennt die Vorteile. Aber leider sind kleinere Themen vorgezogen worden und haben den Prozess verlangsamt". Die Verlängerung ist offenbar reine Formsache. Doch die Bürokratie sorgt auf den hochsensiblen Märkten für Unsicherheit. 35 Prozent weniger Aufträge aus den USA für Afrika - diesen Wert hat Schneidman berechnet. Viele afrikanische Textil-Unternehmer fühlen sich von der US-Politik im Stich gelassen.
Handel statt Hilfe?
Wie aber passt all das zum Engagement der USA in Afrika? "Trade, not Aid" - "Handel statt Hilfe", so lautet die Entwicklungsphilosophie der Amerikaner. Und AGOA ist ein wichtiger Teil ihrer Umsetzung. Seit 2000 in Kraft, öffnet es den amerikanischen Markt für mehr als 6.000 Produkte und Waren aus Afrika. Keine Zölle, keine Quoten.
Der Exportschlager ist Öl als strategisch wichtiger Rohstoff für die Amerikaner. Doch Potenzial steckt auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie. US-Unternehmen lassen kostengünstig in Afrika produzieren. Dort entstehen Jobs, besonders Frauenarbeitsplätze. So kann die Wirtschaft wachsen, Armut bekämpft und letztlich die Demokratie gefördert werden - das ist die Idee hinter AGOA.
300.000 Arbeitsplätze seien durch das Handelsgesetz bereits geschaffen worden, 1,5 Millionen weitere Jobs seien indirekt entstanden, sagt Analyst Witney Schneidman. "AGOA bietet einen guten Rahmen für wirtschaftliche Entwicklung und ist eine bedeutende Wende - weg von der klassischen Geber-Nehmer-Beziehung hin zu einer Beziehung, in der beide Seiten Vorteile genießen", so der Analyst.
15.000 Jobs gestrichen
In vielen afrikanischen Staaten brechen von diesen neu geschaffenen Jobs gerade tausende weg. Ein Beispiel: Der Zwergenstaat Lesotho im Süden des Kontinents. 45.000 Menschen arbeiten hier im Textilsektor - so viele wie in keiner anderen Branche. Sie nähen Kleidung für große amerikanische Modemarken wie Gap, Calvin Klein oder Levi Strauss. Lesotho ist abhängig von AGOA und der Drittstaaten-Klausel. Nach Angaben der Nationalen Entwicklungsgesellschaft LNDC (Lesotho National Development Corporation) haben 15 der insgesamt 40 Fabriken des Landes die Produktion bereits heruntergefahren oder müssen schließen.
Laut Rajeev Arora vom Verband der Textilunternehmer sind in Afrika bereits 15.000 Arbeitsplätze weggefallen, vor allem in Kenia, Lesotho, Swasiland, Mauritius und Äthiopien. Und weil zwischen Bestellung und Lieferung der Waren in der Regel vier bis fünf Monate vergehen, glaubt er, dass sich die Branche erst im Januar 2013 wieder erholen kann. "Die Idee war, in Afrika eine ganze Textilindustrie aufzubauen, von der Baumwoll-Produktion bis hin zu modischer Bekleidung - aber das hat nicht funktioniert", sagt Arora. Es gebe einfach keine rechtliche Verlässlichkeit und die Drittstaaten-Klausel werde jedes Mal nur um drei oder vier Jahre verlängert. 15 bis 20 Jahre dagegen wären seiner Ansicht nach notwendig, um langfristig für Wachstum und Entwicklung zu sorgen.
Am 1. August geht der US-Kongress in die Sommerpause. Bis dahin soll eine Entscheidung fallen, wie lange die Klausel dieses Mal verlängert wird. In drei Jahren steht dann das ganze Gesetz auf dem Prüfstand.