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Studenten engagieren sich für Flüchtlinge

Rachel Baig19. Januar 2014

An einer Universität in Bayern bekommen Studierende Leistungspunkte für das Studium, wenn sie Flüchtlingen im Alltag helfen. Die Universität in Eichstätt ist Vorreiter dieses Projekts. Aber es gibt auch Kritik.

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Lerngruppe in der Universität Hamburg (Foto: Bodo Marks dpa/lno)
Bild: picture alliance/dpa

Angefangen hat es vor knapp zwei Jahren in der Kleinstadt Eichstätt in Bayern: Eine Handvoll Studenten bot für einige Asylbewerber einmal wöchentlich Deutschunterricht an. Aber dabei sollte es nicht bleiben: "Wir wollten unsere Initiative nachhaltig gestalten, und kurz darauf wurde daraus ein Arbeitskreis", erklärt Anna Peschke der Deutschen Welle. Die Politikstudentin hat das Projekt in Eichstätt initiiert. Aus dem Arbeitskreis ist mittlerweile ein offizielles Modul an der Katholischen Universität der Stadt geworden, das Studierende aus allen Fachrichtungen wählen können, egal ob sie Betriebswirtschaft, Lehramt oder Politik studieren.

Durch die Kopplung als Freimodul an der Universität können sich die Studenten in einem Semester für die ehrenamtliche Arbeit Leistungspunkte anrechnen lassen, die man für den Abschluss des Studiums braucht. Neben dem Deutschunterricht können die Studenten, die dieses Modul an der Universität gewählt haben, auch individuelle Begleitung anbieten: Sie helfen beim Ausfüllen von Formularen, geben Flüchtlingskindern Nachhilfeunterricht oder treiben Sport mit den Asylbewerbern im Umkreis.

Studentisches Engagement deutschlandweit

Dass sich Studenten in Deutschland für Asylbewerber engagieren ist prinzipiell nicht neu. Auch richtige Initiativen oder Vereine dafür gibt es schon seit einiger Zeit. In Regensburg zum Beispiel - ebenfalls in Bayern - gibt es die Initiative Migramed. Dort begleiten Medizinstudenten die Asylbewerber bei Arztbesuchen, denn viele Asylanten trauen sich nicht zum Arzt - sie haben Sprachprobleme. Die Studenten helfen, den richtigen Facharzt zu finden und die Formulare zu verstehen. Sie übersetzen, wenn sie die Muttersprache der Asylbewerber beherrschen, oder sie organisieren einen Dolmetscher.

An der Universität Gießen im Bundesland Hessen leisten Studierende der Refugee Law Clinic (RLC) sogar Rechtsbeistand. Die Jurastudenten helfen Asylbewerbern und Flüchtlingen, die auf ihr Verfahren warten. Bei diesem Modell profitieren die Studenten auch selbst von ihrer ehrenamtlichen Arbeit, denn sie sammeln Praxiserfahrung. Die RLC wurde 2007 gegründet und beschränkt sich auf das Asyl- und Ausländerrecht. In Deutschland war diese Arbeit bis vor ein paar Jahren nicht erlaubt. Erst seit dem Rechtsdienstleistungsgesetz aus dem Jahr 2008 dürfen Studenten als Rechtsberater arbeiten, allerdings nicht vor Gericht oder bei Steuerangelegenheiten.

Studentinnen der Gruppe tun.starthilfe für Flüchtlinge (Foto: Erika Riksen)
Die Studenten der Uni Eichstätt sind stolz auf den Erfolg des ProjektsBild: Erika Riksen

Belohnung für Engagement

Soches Engagement auch an der Universität anrechnen lassen zu können ist das neue, das es so bisher nur in Eichstätt gibt. Das stößt allerdings auch auf Kritik: Einige behaupten, die Studierenden würden die ehrenamtliche Arbeit nur der Belohnung wegen machen.

Aber Anna Peschke sieht das anders: "Wir wurden in dem guten Willen der Studenten bestätigt", meint sie. Denn es gab mehr Anmeldungen als verfügbare Plätze für das Modul. Die Leute, die keinen Platz bekamen, machten trotzdem mit, obwohl sie keine Aussicht auf Leistungspunkte hatten. Die Initiatorin steht weiter hinter dem Projekt, denn "so wurde ein Rahmen geschaffen, dass sich Studenten neben einem Vollzeitstudium überhaupt engagieren können". Die Leistungspunkte sollten deshalb eher als Zeitwährung dienen.

Beide Seiten profitieren

Die Studierenden profitieren von diesem Angebot, weil sie das eigenständige Arbeiten erlernen, sagen sie. Auch Karolina Albrecht, die im Presse- und Organisationsteam der Gruppe arbeitet, sieht positiv auf das vergangene Semester zurück. "In meinem Fall ist es wirklich so, dass ich viel von dem einbringen konnte, was ich im Studium gelernt habe", sagt sie im Gespräch mit der DW.

Studenten helfen Asylbewerber im Lankreis Eichstätt (Foto: Erika Riksen)
Studenten und Flüchtlinge profitieren von dem ProjektBild: Erika Riksen

Auch die Flüchtlinge profitieren von der Arbeit der Studenten. Die bauen soziale Kontakte auf, können Deutsch lernen, auch wenn sie sonst keinen Platz in einem Sprachkurs bekommen würden und können sich sogar selbst engagieren. "Im Sinne des voneinander Lernens gibt es jetzt auch einen Arabischkurs, der von den Flüchtlingen angeboten wird", so Anna Peschke.

Positive Aussicht

Anna Peschke und Karolina Albrecht sind davon überzeugt, dass das Konzept in Zukunft noch erfolgreicher sein wird. "Im vergangenem Monat waren wir zu einer Podiumsdiskussion in Magdeburg eingeladen", sagt Peschke. Dort erklärten sie Studierenden, wie man ein solches Projekt in ihrer Stadt und an ihrer Universität initiieren könnte. Sie haben auch von vielen anderen Städten Anfragen erhalten und wollen den Studierenden dort unterstützend zur Seite stehen.

Anna Peschke wird als Initiatorin des Projekts weiter daran arbeiten, aber auch Karolina Albrecht will nach diesem Semester mit der Arbeit im Projekt weitermachen - auch ohne Leistungspunkte als Belohnung.