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"Rohani nach seinen Taten beurteilen"

Taher Shirmohammadi13. März 2014

Trotz vieler Ankündigungen habe sich unter Hassan Rohani die Menschrechtslage im Iran nicht verbessert, sagt Christoph Strässer, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe.

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Christoph Strässer MdB SPD (Foto: SPD-Fraktion)
Bild: spdfraktion.de/Susie Knoll/Florian Jänicke

DW: Viele Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder der UN-Sonderberichterstatter für den Iran, Ahmad Shaheed, beklagen, dass in Hassan Rohanis Amtszeit die Lage der Menschenrechte im Iran unverändert geblieben ist. Was sagen Sie als deutscher Menschenrechtsbeauftragter zur aktuellen Situation?

Christoph Strässer: Ich kann die Einschätzung nur bestätigen. Wir sind ständig in Kontakt mit verschiedenen Nichtregierungs-Organisationen, die sich nicht nur mit der Gesamtlage beschäftigen, sondern auch mit vielen anderen Fällen, die wir nach wie vor beklagen. Wir haben den Eindruck, dass sich trotz der vielen Ankündigungen - etwa eines nationalen Menschenrechtsplans durch Rohani - in der Realität und Wahrnehmung nichts geändert hat.

Die Oppositionsführer Karubi und Mussawi sitzen immer noch in Haft, aber die deutsche Regierung reagiert nicht. Sind die Menschenrechte Opfer der Atomgespräche geworden? Seitdem spricht man im Westen nur noch wenig über die Menschenrechte.

Ich sehe das ein wenig anders. Natürlich ist es so, dass - auch in der öffentlichen Wahrnehmung - die Atomgespräche vieles überlagern. Aber ich selbst habe in den letzten Wochen und Monaten immer wieder an die iranischen Behörden geschrieben. Ich habe auch Aufrufe von Amnesty International unterstützt, um unter anderem die Freilassung von - aus unserer Sicht - unfair verurteilten Oppositionellen zu befördern. Bei mir jedenfalls steht das Thema ganz oben auf der Tagesordnung und ich werde es immer wieder ansprechen. Vielleicht muss man die öffentliche Wahrnehmung wieder mehr stärken. Denn dass die politische Dimension der Atomgespräche vieles überlagert, finde ich nicht richtig.

In Deutschland spricht man gerne von "Wandel durch Handel". Wir haben jetzt im Iran eine neue Situation, viele Investoren, viele Firmen wollen sich im Iran engagieren oder in Richtung Iran bewegen. Kann man auch dort dieses Ziel, "Wandel durch Handel" erreichen?

Ich bin immer noch der Meinung, dass Verhandlungen und Gespräche der richtige Weg sind. Die alternativen Handlungsoptionen bergen hohe Risiken. Ich warne aber davor, dass sich deutsche Unternehmen im Iran engagieren, ohne die menschenrechtliche Situation zu berücksichtigen. Das heißt: Geschäftsabschlüsse mit dem Iran müssen mit einer Menschenrechtsklausel versehen werden. Und das fordern wir auch von den deutschen Unternehmen ein. Nicht nur für den Iran - weltweit.

Was können Sie über die Lage der ethnischen Minderheiten wie Kurden und Belutschen sagen? Viele von ihnen sitzen im Gefängnis, einigen droht die Todesstrafe. Wie erklären Sie sich, dass man in der deutschen Öffentlichkeit so wenig über deren Schicksal erfährt?

Wir bemühen uns, diese Themen in die deutsche Öffentlichkeit zu bringen, wir intervenieren auch. Ich weiß auch, dass das die deutsche Auslandsvertretung in Teheran tut. Es gibt Situationen, da sind die Handlungsmöglichkeiten eines Menschrechtsbeauftragten begrenzt. Ich kann nur darauf drängen, dass diese Themen immer wieder angesprochen werden. Und ich werde das auch in den nächsten Wochen medial tun.

Werden Sie auch im Bundestag die Menschenrechtssituation im Iran ansprechen?

Ich kann das beispielsweise im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe tun. Dort wird das Thema in den nächsten Wochen - spätestens im April - auf der Tagesordnung stehen. Dann muss der Ausschuss entscheiden, ob mit einem Initiativ-Antrag das Plenum des Deutschen Bundestages damit beschäftigt wird. Ich würde das begrüßen und unterstützen und würde auch im Deutschen Bundestag Stellung dazu beziehen.

Was geschieht im Fall des iranischen Physikers Omid Kokabee, der im Iran zu zehn Jahren Haft verurteilt worden ist, weil ihm das Regime vorwirft, als Stipendiat an der Universität von Texas "Kontakt mit feindlich gesinnten Ländern" gehabt und "verbotene Zahlungen" erhalten zu haben?

Ich kenne den Fall und bin darüber in sehr engem Kontakt mit Amnesty International, die zu "Urgent Actions" aufgerufen haben. Ich habe bei der deutschen Auslandsvertretung in Teheran nachgefragt und die versichern mir, dass in jedem bilateralem Gespräch, das es mit der iranischen Führung gibt, dieses Thema angesprochen wird. Was ich gelesen habe über diese willkürliche Inhaftierung, das ist wirklich jenseits jeder Vorstellung, die wir hier in Deutschland, in Europa und im Westen von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit haben.

Rohani ist jetzt seit sieben Monaten im Amt. Außenpolitisch - so sagt man im Iran - hat er Erfolg, denn die Atomgespräche gehen weiter. Doch seit Rohani im Amt ist, sollen erneut Hunderte hingerichtet worden sein. Allein seit Jahresbeginn sollen mindestens 176 Menschen durch Erhängen hingerichtet worden sein. Kann man da auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hoffen?

Ich muss gestehen, ich hatte, als die Nachricht von Rohanis Wahl kam, schon die ein oder andere Erwartung. Aber die sind bisher alle enttäuscht worden. Rohani hat einen nationalen Menschrechtsdialog angeregt, der jetzt noch einmal konkretisiert worden ist. Aber in der Realität und in der Wahrnehmung hat sich definitiv nichts geändert. Sie haben die Zahlen genannt und ich finde, man muss Rohani nicht an seinen Worten messen, sondern an seinen Taten. Von daher kann ich nur sagen, die Erwartungen sind bisher enttäuscht worden. Hoffnungen habe ich nicht, aber Erwartungen und die kann man nur auf dem politischen Weg mit politischem Druck erfüllen.

Was heißt das konkret?

Ich erwarte natürlich, dass ein gewählter Politiker seinen Ankündigungen nachkommt. Dass er nicht nur Pläne vorlegt, sondern, dass er real die Situation für die Menschen, für die Opposition, für die religiösen Minderheiten verbessert. Das wird er natürlich nur tun, wenn politischer Druck kommt. Wir wären gut beraten, wenn wir oppositionelle Bestrebungen, rechtsstaatliche Bestrebungen unterstützen. Und das muss man natürlich deutlich und mit sehr klaren Worten tun. Daran fehlt es im Moment noch - und ich werde daran arbeiten, das zu ändern.

Christoph Strässer (SPD) ist seit Januar 2014 der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe.