Überraschende Favoriten in Zentralafrika
5. Januar 2016"Ihn hat keiner kommen sehen", sagt Kag Sanoussi. Er leitet das französische Institut für Konfliktforschung (IIGC) und ist - wie viele andere - überrascht von den ersten Zwischenergebnissen aus der Zentralafrikanischen Republik. Faustin Archange Touadéra war bei den Präsidentschaftswahlen am 30. Dezember als parteiloser Kandidat angetreten. Nach Angaben der nationalen Wahlkommission (ANE) lag der 58-jährige Mathematikprofessor und ehemalige Premierminister zeitweise ganz vorn. Mehr als die Hälfte der Stimmen hat die ANE bereits ausgezählt. Nun liefert sich Touadéra ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem weiteren früheren Premierminister, Anicet George Dologuele. Seit Samstag gibt die ANE nach und nach den Stand der Auszählung bekannt.
Die endgültigen Ergebnisse gibt es voraussichtlich Ende der Woche, wenn alle Stimmzettel aus den Provinzen gezählt sind. Falls keiner die absolute Mehrheit erhält, ist eine Stichwahl nötig. Die ist für den 31. Januar geplant. Knapp zwei Millionen Bürger der insgesamt fünf Millionen Zentralafrikaner waren wahlberechtigt. Sie konnten ihre Stimme in 500 Wahllokalen abgeben. Die Friedensmission der Vereinten Nationen in Zentralafrika MINUSCA sicherte die Wahl.
20 von 30 Kandidaten fürchten Betrug
Die Auswahl war groß: Insgesamt 30 Kandidaten waren für das höchste Staatsamt angetreten. Die Mehrzahl der Bewerber ist mit dem Wahlverlauf jedoch überhaupt nicht zufrieden. Nach der Bekanntgabe erster Wahlergebnisse hatten 20 Präsidentschaftskandidaten gefordert, die Abstimmung für ungültig zu erklären und die Stimmen gar nicht weiter auszuzählen. Es habe zahlreiche Unregelmäßigkeiten, Fälschungen sowie logistische Probleme gegeben, schrieben sie am Montag in einer gemeinsamen Erklärung. Die Regierung sagte am Dienstag in der Hauptstadt Bangui, die Auszählung zu stoppen komme nicht in Frage.
Die internationale Gemeinschaft lobte den Verlauf der Wahl. Der Leiter der UN-Friedensmission Parfait Onanga-Anyanga bezeichnet die Wahl als Erfolg. Sie sei friedlich und ohne größere Vorfälle verlaufen. Trotzdem räumte die ANE später geringfügige "logistische Probleme" ein. Dass die Wahl überhaupt regulär stattgefunden habe, sei ein großer Schritt für das Land, sagt Ayo Johnson im DW-Interview. Er ist Leiter des Online-Magazins Viewpoint Africa und beobachtet von Großbritannien aus die Entwicklungen in der Zentralafrikanischen Republik. Trotz der Zweifel, ob die Wahl überhaupt stattfinden könne, sei sie problemlos und friedlich abgelaufen. "Die Zentralafrikaner sollten stolz darauf sein, das erreicht zu haben, was viele nicht für möglich hielten", so Johnson.
Wer wird der nächste Präsident?
Im März 2013 putschte die mehrheitlich muslimische Séléka-Rebellengruppe den autoritären Präsidenten François Bozizé aus dem Amt. Seitdem hat sich das Land nicht erholt. Regelmäßig flammt die Gewalt zwischen der Séléka und der christlichen Anti-Balaka-Miliz auf. Die Sicherheitskräfte spalteten sich auf und die Übergangsregierung unter Catherine Samba-Panza steht dem Chaos machtlos gegenüber.
Eine vom Volk gewählte Regierung soll nun Frieden und Stabilität bringen. Zurzeit sieht es danach aus, als hieße der neue Präsident Touadéra oder Dologuele. Beide stehen in enger Verbindung zum Ex-Präsidenten François Bozizé, der selbst nicht kandidieren durfte: Dologuele wurde von Bozizés Partei KNK im Wahlkampf unterstützt. Touadéra war zwar als unabhängiger Kandidat angetreten, ist aber noch immer stellvertretender Vorsitzender der KNK und war von 2008 bis 2013 Bozizés Premierminister. "In dieser Zeit hat er viele Reformen durchgesetzt, für die ihm die Zentralafrikaner dankbar sind", sagt Kag Sanoussi vom IIGC. Obwohl Touadéra als parteiunabhängiger Kandidat angetreten sei, hätten ihn viele Wähler mit der KNK-Partei des Ex-Präsidenten Bozizé verbunden.
Ex-Präsident Bozizé will weiter mitbestimmen
Sollte es zu einer Stichwahl kommen, wer hätte dann die Unterstützung des Ex-Präsidenten und dessen Partei? "Dazu äußere ich mich erst, wenn es tatsächlich dazu kommt", sagt Bozizé im Exklusiv-Interview mit der Deutschen Welle. Ein Dilemma sei das für ihn nicht, sagt er. "Derjenige, dem ich meine Unterstützung zusichere, der wird auch gewinnen. Das ist bekannt."
Derweil appelliert der Generalsekretär der Partei KNK, Bertin Bea, an alle Kandidaten, die Ergebnisse zu respektieren. "Denn sie alle haben einen Verhaltenskodex unterschrieben, und dazu gehört, dass sie die Ergebnisse anerkennen."
Mitarbeit: Marc Caldwell, Carole Assignon, Eric Topona