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Streit um Modis Landreform

Sonia Phalnikar19. April 2015

Premier Narendra Modi will Indien ausländischen Investoren öffnen. Mit einer Getzesänderung will er ihnen den Landkauf erleichtern. Bei Bauernverbänden und Opposition regt sich Widerstand, wie Sonia Phalnikar berichtet.

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Der indische Premierminister Narendra Modi, 02.04. 2015 (Foto: AFP / Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images/Puni Paranjpe

"Modi will euer Land seinen Freunden aus der Industrie schenken“, rief Rahul Gandhi von der Kongresspartei am Sonntag 70.000 demonstrierenden Bauern in Neu Delhi zu. Sie wollen verhindern, dass die Gesetzesänderungen zum Landerwerb am Montag vom Unterhaus in Neu Delhi abgesegnet werden. Aus Sicht der Demonstranten würden dadurch die Bauern benachteiligt und private Unternehmen begünstigt.

Für Modi ist die Gesetzesänderung hingegen Voraussetzung, um ausländischen Investoren anzulocken. „Indien ist bereit für Geschäfte“, so seine Botschaft. Aber Streitigkeiten um die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen behindern Indiens wirtschaftliche Entwicklung seit Jahren. "Landerwerb ist das größte Hindernis für die Entwicklung der Infrastruktur", sagt Niranjan Sahoo von der Think Tank Observer Research Foundation in Delhi. "Private Unternehmen haben jahrelang kein Land mehr gekauft. Das war aus ihrer Sicht mit zu vielen Hindernissen, zu hohen Kosten und zu langen Fristen verbunden, die zwischen drei und fünf Jahren betragen können. Auf diese Weise ist vieles zum Stillstand gekommen.“

Rahul Gandi bei einer Wahlveranstaltung, 14.04.2014 (Foto: DW / S. Wahhed)
Speerspitze der Opposition: Rahul GandhiBild: DW/S. Wahhed

Für solche Versäumnisse zahlt die indische Wirtschaft einen hohen Preis. Einer Studie der in Delhi ansässigen Ratingagentur ICRA zufolge wurden zahlreiche Großprojekte - darunter der Bau von Straßen, Stahlwerken und Kohlebergwerken im Wert von über 16 Milliarden US-Dollar - eingestellt. Der Grund: Der Erwerb des notwendigen Landes erwies sich als unmöglich.

Fehler der Vergangenheit

Schuld daran war ein Gesetz, das die bis 2013 regierende Kongresspartei erlassen hatte, um Missbrauch beim Landerwerb zu verhindern. Denn bis dahin konnten private Landbesitzer gezwungen werden, ihr Terrain zu verkaufen, wenn dies im öffentlichen Interesse lag. Das führte über die Jahre zu Zusammenstößen zwischen Bauern und Regierungsvertretern.

Mit Gewalt erzwungener Landverkauf sei sehr verbreitet gewesen, sagt Niranjan Sahoo. Oft erhielten die betroffenen Besitzer keine oder nur sehr geringe Entschädigung. Viele wurden umgesiedelt und verloren ihre Lebensgrundlage.

Ein Reisfeld in Maharashtra (Foto: DW / Florent Martin)
Reisfeld in MaharashtraBild: DW/F. Martin

Das von der Kongresspartei verabschiedete Gesetz sah vor, dass private Unternehmen für ihre Projekte die Zustimmung von mindestens 70 Prozent der betroffenen Bauern nachweisen. Ebenso wurden sie verpflichtet, Studien über die sozialen Auswirkungen ihrer Vorhaben einzuholen, öffentliche Anhörungen zu veranstalten und Umsiedlungs- und Entschädigungsgarantien zu geben.

Modis Liberalisierungspolitik

Diese hohen Hürden hat die wirtschaftsfreundliche Regierung Modi zunächst per Verfügung aufgehoben: Die Auflagen gelten nicht mehr für Projekte, die die Landesverteidigung und nationale Sicherheit, die Infrastruktur und die Schaffung industrieller Korridore betreffen. Modis Partei BJP zufolge beschleunige dies den Prozess des Landerwerbs, mobilisiere Milliarden Dollar für Industrie-Investitionen und befreie viele Bauern aus der Armut.

Doch Opposition und Bauern laufen Sturm. „Wir sind überzeugt, dass die Regierung versteckte Pläne hat, landwirtschaftliche Flächen privaten Unternehmen zukommen zu lassen“, sagt Kishore Tiwari, dessen Organisation sich für Bauernrechte einsetzt. "Wir werden uns mit allen Mitteln gegen die geplanten Änderungen des Landrechts zur Wehr setzen."

Proteste indischer Bauern in Neu Delhi, 19.04.2015 (Foto: Reuters)
Indische Bauern protestieren gegen die LandreformBild: Reuters/Anindito Mukherjee

Politisches Kalkül?

Politische Beobachter sehen hinter den Protesten jedoch noch ein anderes Motiv: Die Kongresspartei, die bei den Parlamentswahlen des vergangenen Jahres eine schmähliche Niederlage gegen Modis Partei einstecken musste, wolle mit ihrer Obstruktionspolitik ihre Unverzichtbarkeit demonstrieren. "Es besteht kein Zweifel, dass die Kongresspartei um ihr politisches Überleben kämpft", sagt der Geografie-Professor Sanjoy Chakravorty von der Temple-University im amerikanischen Philadelphia. "Wenn man sich als Unterstützer der Bauern präsentiert, liegt man in Indien politisch immer richtig."

Ob Modis Pläne aufgehen, muss sich allerdings erst noch zeigen: Er hat zwar die Gesetzesänderungen durch das indische Oberhaus gebracht, doch muss er sie noch vom Unterhaus absegnen lassen. Dort aber ist seine Partei BJP in der Minderheit.