Streben nach mehr Unabhängigkeit
2. Januar 2014"Wer in Taiwan behauptet, ein unabhängiges Medienunternehmen zu sein, verliert automatisch die Hälfte seiner Glaubwürdigkeit." Derart kritisch bilanzierte kürzlich der angesehene Journalisten Mario Yang auf dem Gründungsforum des Vereins unabhängiger Journalisten in Taiwan die Lage der taiwanesischen Medien. Die taiwanesische Öffentlichkeit traue den einheimischen Medien nicht. Das Ansehen der Journalisten sei gering.
Im Gegensatz zur Volksrepublik China sind Taiwans Massenmedien eigentlich pluralistisch aufgestellt. Das Internet wird nicht zensiert. Und es gilt die Meinungsfreiheit. Doch trotz einer bunten Medienlandschaft sinkt die öffentliche Akzeptanz. Der Grund dafür: Der Markt der elektronischen Medien wird dominiert von Regierungssendern, die Zeitungen werden von Firmengruppen gesteuert.
Schwindende Werbeeinnahmen
Einen weiterer Faktor für den Glaubwürdigkeitsverlust sieht der Medienwissenschaftler Chen Shuen-Hsiao im Werbeverhalten der Wirtschaft. Die setze bei ihren Kampagnen vermehrt auf Produktplatzierung und Schleichwerbung. Beides würde von den Konsumenten als störend empfunden. Vor allem aber seien die Medien zu eng mit der Politik verzahnt, so Chen weiter. Die Regierung sei mittlerweile der größte Werbekunde der Presse. Die Regierung schalte ganzseitige Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften. Dies schade langfristig auch dem Ansehen der Verlagshäuser.
Nun aber soll die Geburtsstunde des unabhängigen Journalismus in Taiwan kommen. Kritische Journalisten haben sich zusammengeschlossen. Im Internet wollen sie eine eigene Plattformen für neutrale Berichterstattungen schaffen. Erste Erfolge konnten sie schon vermelden: Eine Reihe von Skandalen um Zwangsenteignungen, Fälle von Vogelgrippe oder die Gesundheitsgefährdende Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft wurden zuerst von den unabhängigen Journalisten ans Tageslicht gebracht. Erst danach wurden sie von den großen Medienhäusern aufgegriffen.
"Rote Gefahr" aus der Volksrepublik
Auf der anderen Seite der Taiwan-Straße nutzt die Volksrepublik China ihr beträchtliches Kapital, um auf die öffentliche Meinungsbildung in Taiwan einzuwirken. So investieren chinesische Unternehmen in der taiwanesischen Pressebranche und kaufen damit die Meinungsführerschaft.
Dem Shanghaier Unternehmen Want Want zum Beispiel gehören zwei Fernsehsender und eine der auflagenstärksten überregionalen Zeitungen Taiwans. Dem Reiskuchen-Hersteller Want Want werden enge Kontakte zur Führung Peking nachgesagt. Nach der Übernahme der Medien durch Want Want verloren viele Chinakritische Journalisten ihren Job. Andere gingen freiwillig, da ihnen ein Maulkorb verpasst wurde, wenn es um die kritische Haltung gegenüber dem Regime in Peking ging. Der Versuch von Want Want, den größten Kabelbetreiber Taiwans für stolze 2,4 Milliarden US-Dollar zu übernehmen, löste auf Taiwan Massenproteste aus. Im letzten Jahr scheiterte der Kauf an der Regulierungsbehörde. Das düstere Fazit des Medienwissenschaftlers Chen: "Zu Zeiten der Ein-Partei-Diktatur auf Taiwan unterwarfen sich die Journalisten der Selbstzensur, nun erhoffen sich die Medienbosse Geld von den roten KP-Zensoren".
Krise der Glaubwürdigkeit
Die Experten in Taiwan sind sich einig: Unabhängigen Massenmedien kommt eine große Bedeutung zu. Doch sei das allgemeine Betriebsklima "vergiftet", urteilt der Kommunikationswissenschaftler Kuang Chung-Shiang. Gleichwohl betont auch er: "Der unabhängige Journalismus kann nur wachsen, wenn sich die Zivilgesellschaft aktiv beteiligt. Nur dann kann die Regierung effizient und unabhängig kontrolliert werden. Und nur so kann die gesellschaftliche Vielfalt bewahrt blieben."