Stolz und Bedauern
27. Juli 2013"Es ist schon traurig", erzählt Oberst a.D. William E. Weber, "dass wir unseren Auftrag nicht erledigen konnten, weil das Wetter nicht mitspielte." Der pensionierte US-Soldat gehörte zum Kampfverband der 187. Luftlandebrigade der US-Armee, die am 20. Oktober 1950 hinter den feindlichen Linien in Nordkorea absprang. Mehrere tausend Soldaten landeten rund 50 Kilometer nördlich von Pjönjang, bei Sukchon und Sunchon. Sie sollten die nordkoreanische Armee am Rückzug und die Regierung an der Flucht hindern. Doch daraus wurde nichts.
Wegen schlechten Wetters habe sich der Absprung um mehrere Stunden verzögert, genug Zeit für die Nordkoreaner, erzählt Weber, sich aus dem Staub zu machen. Auch für die über 200 UN-Kriegsgefangenen, die in einem Zug nach Norden transportiert wurden, seien sie zu spät gekommen. Die Nordkoreaner hätten den Zug in einem Tunnel gestoppt. "Als klar wurde, dass wir sie retten würden, haben sie die Gefangenen im Tunnel alle umgebracht", erinnert sich Weber, und fügt hinzu, es habe aber keinen Zweck, darüber schlaflose Nächte zu verbringen. Das seien eben die Unwägbarkeiten eines Krieges.
Berufssoldat durch und durch
William Weber wurde in Chicago geboren und wuchs in Milwaukee auf. Mit 17 Jahren meldete er sich freiwillig zur Armee. Das war im Februar 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg. Im Januar 1945 wurde er in den Pazifik geschickt, auf die Philippinen zunächst, und dann nach Okinawa und Yokohama, um die Kapitulation der Japaner zu überwachen. Weil seine Noten gut waren und Führungskräfte fehlten, konnte er die Offizierslaufbahn einschlagen.
Im September 1950 wurde er in Korea zum ersten Mal verwundet, ein Schuss in die Schulter, "keine große Sache". Saubere Schusswunden in Arm, Bein oder die Schulter, erklärt er, "setzen dich nicht außer Gefecht". Sie seien "eine Unannehmlichkeit, aber wenn sie nicht gerade einen Nerv oder eine Arterie treffen, sind sie nicht mehr als ein Nadelstich in den Finger". Nur das Loch sei eben etwas größer.
Doch nicht alles steckt ein Berufssoldat wie William Weber so weg wie eine durch das Wetter verpasste Chance oder eine simple Schusswunde.
"Was wir tun mussten, war schrecklich"
Im Dezember 1950 sicherte Webers Regiment den Rückzug der 8. US-Armee bis zum 38. Breitengrad. Die Amerikaner hatten am Yalu-Fluss eine empfindliche Niederlage gegen die in den Krieg eingetretenen Chinesen erlitten. Der Rückzug führte durch die ländliche Gegend, vorbei an Dörfern, die sich an die Berge schmiegten. Der Befehl für die US-Soldaten lautete: dafür sorgen, dass die nachrückenden Chinesen keine Nahrung und keinen Unterschlupf finden. "Wir waren gezwungen, die Lebensgrundlage der unschuldigen Bevölkerung zu zerstören, wir verbrannten ihre Häuser, ihre Ernte, ihre Vorräte", erzählt Weber, und seine Stimme wird leise und stockend, die Augen feucht. Die Menschen, darunter auch kleine Kinder und viele Alte, mussten mit ihrem Hab und Gut auf dem Rücken nach Süden marschieren. "Sie hungerten, starben oder wurden zu Flüchtlingen."
"Es war Krieg, aber was wir diesen Menschen antun mussten, war schrecklich", erzählt Weber bewegt, und er und seine Kameraden würden noch immer bei jedem Treffen drüber sprechen. "Es war nicht unsere Schuld, es war Krieg, aber diejenigen von uns, die das getan haben, hat es ihr Leben lang nicht losgelassen."
Schwer verwundet
William Weber hat für seinen Einsatz in Korea einen hohen Preis bezahlt. Im Kampf um Wonju, einer Stadt rund 140 Kilometer östlich von Seoul, wurde er im Februar 1951 zum zweiten Mal verwundet, diesmal schwer. "Ich verlor meinen Arm nachts um viertel nach elf, mein Bein um zwei Uhr morgens am 16. Februar, und zwei Stunden später bekam ich Schrapnellsplitter in meine rechte Seite." Das eiskalte Wetter, von vielen verflucht, habe ihm damals das Leben gerettet, sonst wäre er verblutet, da ist er sich sicher.
Die schweren Verletzungen bedeuteten das Ende seines Korea-Einsatzes. In der Armee aber blieb Weber bis zu seiner Pensionierung im September 1980. Seine Verwundungen hätten sein Leben nicht grundlegend verändert, erklärt er. Man merkt ihm bei Gehen kaum an, dass er ein Bein verloren hat, und mit seinem rechten halben Arm gestikuliert er genauso lebhaft wie mit dem gesunden linken. Er hätte sich eben angepasst. 2002 hat er Korea und den Ort des Kampfes, bei dem er verwundet wurde, noch einmal besucht. Er habe dieses Kapitel seines Lebens damit abschließen können, sagt er.
Erinnern an den "vergessenen Krieg"
Der 87-jährige mit der angenehmen dunklen Stimme und den wachen blassblauen Augen hält sich durch regelmäßiges Schwimmen fit. In seinem großen gemütlichen Haus in New Windsor, eine gute Autostunde nördlich von Washington DC, hat er extra einen Pool mit einer Gegenstromanlage eingebaut. Allerdings sei er viel zu wenig hier, bedauert er, und komme kaum dazu, das Gras auf dem acht Hektar großen Grundstück zu mähen. Er reist zu Kongressen und Vorträgen, kümmert sich darum, dass der Korea-Krieg gewürdigt wird. Denn der Krieg gilt hier als der "vergessene Krieg", der angesichts des Zweiten Weltkrieges und des Vietnam-Krieges nur wenig Publicity bekommt.
Weber ist unter anderem Vorsitzender der Stiftung, die sich um das Denkmal für die Koreakriegsveteranen kümmert, das 1995 in Washington DC eingeweiht wurde. Einer der 19 Stahlfiguren trägt seine Gesichtszüge. Der Korea-Krieg, sagt der Oberst a.d., war ein "guter" Krieg: "Zu dieser Zeit war es politisch wichtig, der kommunistischen Welt klarzumachen, dass die freie Welt es nicht zulassen würde, dass [die Kommunisten] ein freies Land mit Waffengewalt unterwerfen." Die freie Welt würde kämpfen, das war das Signal, auch wenn sie - wie die USA in Korea - nicht direkt bedroht war. Und die Botschaft sei angekommen, davon ist Weber überzeugt. Für ihn ist der Korea-Krieg der Anfang vom Ende des Kommunismus.
Dass in dem Krieg dennoch nicht alles perfekt war, dessen ist er sich bewusst. Das Blutvergießen hätte schon viel früher gestoppt werden müssen, als nach dem Eintritt der Chinesen in den Krieg klar wurde, dass es zu einem Patt am 38. Breitengrad kommen würde. Auch habe man das Ziel, Nordkorea zu befreien, nicht erreicht. Aber immerhin habe man dafür gesorgt, dass Südkorea frei blieb. "Ich bin stolz darauf, dabei mitgeholfen zu haben, dass die Südkoreaner das erreichen konnten, was sie heute erreicht haben", sagt William Weber.