US-Raketenschild
7. Juli 2008Seit einigen Jahren plant die US-Regierung auf europäischem Boden ein Raketenabwehrsystem mit Standorten in Polen und Tschechien um mögliche Angriffe von so genannten "Schurkenstaaten", wie Iran oder Nordkorea, abzuwehren. Die Umsetzung des Projekts stößt jedoch weiterhin auf Widerstand, vor allem aus Russland. Dort wird das geplante Raketenschild als Provokation und Bedrohung empfunden.
Das Pentagon sieht vor, in Polen bis zu zehn Abfangraketen zu stationieren, die im Falle eines Angriffs gegnerische Mittel- und Langstrecken zerstören können. Die geplanten Abfangraketen besitzen keinen eigenen Sprengstoff sondern bringen die Angriffsrakete nur durch die Bewegungsenergie bei etwa 23.000 Kilometern pro Stunde durch die "hit-to-kill"-Methode zur Explosion. In Tschechien soll ein dazugehöriges Radarsystem installiert werden. Dieser X-Band Radar spürt angreifende Raketen auf und ermöglicht die zielgenaue Steuerung der Abfangraketen.
Die US-Regierung erhofft sich mit dem Raketenabwehrsystem ihr eigenes Territorium sowie weite Teile Europas vor feindlichen Raketen, die mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden könnten, zu beschützen. Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 konnte US-Präsident Bush alle 26 Mitgliedstaaten des Bündnisses von der Unterstützung des Systems überzeugen, da es einen Teil einen Beitrag zum Schutz der NATO-Länder leiste.
Den Russen ein Dorn im Auge
Moskau kritisierte das Raketenabwehrsystem wiederholt scharf. Zuletzt (27.06.2008) ermahnte Russlands Präsident Medwedew auf dem EU-Russland Gipfel im sibirischen Chanti-Mansijsk, dass das System nicht der Sicherheit Europas diene, da es als eine Aufforderung zum Wettrüsten gesehen werde.
Washington beteuert, dass der Raketenschild nicht gegen Russland gerichtet sei und bot Moskau an das System vor Ort zu überwachen. Trotzdem fühlt sich Russland zunehmend bedroht; nicht zuletzt weil die NATO, die sich zu Zeiten des Kalten Krieges noch direkt gegen Moskau richtete, immer näher an Russland rückt und mit Lettland und Estland sogar direkt ans eigene Territorium angrenzt.
Technisch gesehen stellt der Raketenschild keine direkte Bedrohung für Moskau dar, da er keinen Schutz gegen russische Interkontinentalraketen bietet. Die Russen fürchten jedoch, dass das Programm in diesem Bereich ausbaufähig sein könnte, außerdem beklagen sie, dass der geplante Radar in Tschechien auch auf Russland ausgerichtet werde.
Polen stellt sich quer
In der Planung und Umsetzung des Systems kam es immer wieder zu Verzögerungen. Während die politische Klasse in beiden Ländern dem Vorhaben größtenteils positiv gegenübersteht, lehnt Umfragen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung in Polen und Tschechien den Raketenschild ab.
Mit Tschechien konnte sich die US-Regierung schon im April 2008 im Grundsätzlichen über die Stationierung des Radarsystems einigen. Polen hingegen fordert zusätzliche Sicherheitsgarantien bevor es dem Vorhaben zustimmt. Insbesondere verlangt es finanzielle Unterstützung für das eigene Militär in Milliardenhöhe. Die bisherigen Angebote aus Washington lagen weit unter diesen Erwartungen aus Polen.
Wegen der Schwierigkeiten mit Polen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen ist in US-Kreisen auch Litauen als Alternativ-Standort ins Gespräch gekommen. Offiziell hält die USA jedoch weiterhin am polnischen Standort fest.
Schwierige Partnerschaft
Sofern in naher Zukunft eine Einigung erzielt werden kann, sehen die jetzigen Planungen vor das Raketenabwehrsystem ab 2011 in Betrieb zu nehmen. Doch die Bedenken aus Moskau werden vermutlich nicht so schnell verhallen, auch wenn US-Diplomaten bei Konsultationen mehrfach versuchten Russland den Raketenschild durch Zugeständnisse doch noch schmackhaft zu machen.
Ein erneutes Wettrüsten wie zu Zeiten des Kalten Krieges ist vielleicht zu weit hergeholt. Die Ängste der Russen, die ihren Großmachtstatus auch im neuen Jahrhundert beibehalten wollen müssen im Westen jedoch ernst genommen werden. Die Partnerschaft zwischen NATO und Russland war ohnehin nicht immer leicht. Der Raketenschild wird daran wenig ändern. Es bleibt eine schwierige Partnerschaft.