Stichwort: Boko Haram
24. Juni 2014Tausende Tote, Hunderttausende Vertriebene - der islamistische Terror im Nordosten Nigerias hat in den vergangenen Jahren immer größere Ausmaße angenommen. Die Gruppe Boko Haram gründete sich Anfang des Jahrtausends in der Stadt Maiduguri im Bundesstaat Borno. Sie vertritt eine radikale Auslegung des Korans. "Haram" ist im islamischen Sprachgebrauch alles, was den Lehren des Islam widerspricht. "Boko" ist dem englischen Wort für Buch entlehnt. Mit ihrem Namen erklärt die Organisation die "westliche" Bildung zur Sünde - wie es vor ihr auch schon andere Bewegungen im islamischen Norden Nigerias taten. Das islamische Recht - die Scharia - das im Norden schon gilt, will sie in ganz Nigeria einführen.
Gründer der Organisation war Mohammed Yussuf. Seiner Bewegung schlossen sich zunächst arbeitslose Schulabgänger und Akademiker an. Weil ihre Bildung ihnen keinen Ausweg aus der Armut bot, verbrannten sie ihre Zeugnisse und protestierten so gegen die soziale Ungleichheit im Nordosten Nigerias. In den Jahren nach ihrer Gründung griffen die Rebellen vereinzelt staatliche Einrichtungen an. Im Juli 2009 kam es zu offenen Kämpfen in Maiduguri, nachdem die Polizei Mitglieder der Gruppe verhaftet hatte. 800 Menschen kamen ums Leben, Yussuf wurde kurz darauf in Polizeigewahrsam erschossen.
Den Mord an Yussuf sehen Beobachter als Startpunkt für eine zunehmende Gewaltbereitschaft von Boko Haram. Während des Fastenmonats Ramadan griffen Schwerbewaffnete ein Gefängnis in der Stadt Bauchi an und befreiten einige hundert Boko-Haram-Kämpfer. Seitdem gab es regelmäßig Morde und Anschläge auf Kirchen und staatliche Einrichtungen, zu denen sich die Miliz mit ihrem neuen Anführer Abubakar Shekau bekannte - vor allem im Norden, aber auch in Nigerias Hauptstadt Abuja. Im August 2011 starben bei einem Anschlag auf ein Gebäude der Vereinten Nationen in Abuja 23 Menschen.
Die große Armut und Arbeitslosigkeit in Nordnigeria macht es den Anführern einfach, neue Kämpfer zu rekrutieren. Die nigerianischen Sicherheitskräfte sind den hochbewaffneten Terroristen nicht gewachsen. Seit 2011 gehen Polizei und Militär gemeinsam gegen Boko Haram vor, die Regierung verhängte wiederholt den Ausnahmezustand - zuletzt im Mai 2013 über die drei nordöstlichen Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa.
Nigerias islamistischer Terror wird längst auch im Ausland wahrgenommen. Die USA vermuten, dass das Netzwerk Verbindungen zur weltweit agierenden Terrororganisation Al-Kaida hat und setzten Boko Haram Ende 2013 auf ihre Terrorliste. Außerdem setzten sie ein Kopfgeld von sieben Millionen Dollar auf Anführer Shekau aus. Ob die internationale Drohkulisse im Kampf gegen Boko Haram helfen kann, bleibt fraglich. Die Islamisten in Nigeria sprechen von einer internationalen Einmischung - und dürften sich in ihrem Feindbild des Westens bestätigt sehen.