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Nigerias Armee: Gemeinsame Sache mit Boko Haram?

Katrin Gänsler5. Juni 2014

Die nigerianische Armee hat dementiert, dass es einen Prozess gegen Generäle mit angeblichen Verbindungen zu Boko Haram gegeben hat. Die Spekulationen über mögliche Kontakte zwischen Terroristen und Militär gehen weiter.

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Nigerianische Soldaten marschieren (Foto: AFP PHOTO/ PIUS UTOMI EKPEI )
Bild: AFP/Getty Images

Es sei eine völlige Falschinformation gewesen, so Armee-Sprecher Chris Okukolade zu den neuerlichen Spekulationen über die nigerianische Armee. In einem Bericht der Tageszeitung "Leadership" hatte es am Dienstag (03.06.2014) geheißen, dass mindestens 15 hochrangige Mitglieder der nigerianischen Armee vor ein Kriegsgericht gestellt worden waren. Die Anklage: Sie sollen die Terrorgruppe Boko Haram mit Informationen und Munition versorgt haben. In erster Instanz seien sie schuldig gesprochen worden. Mehrere internationale Print- und Onlinemedien hatten die Meldung ebenfalls veröffentlicht und sich auf die Zeitung berufen.

Die Regierung selbst gibt sich zugeknöpft: "Wenn das wahr wäre, würden wir es aus dem Mund des Militärsprechers erfahren und nicht aus Zeitungen", erklärte Informationsminister Labaran Maku der DW. Das nigerianische Militär selbst dementiert die Meldungen auf Schärfste. Ihre Pressemitteilung klingt erbost. Dort heißt es unter anderem auch, solche Prozesse würden nicht in aller Heimlichkeit geführt und Ergebnisse würden öffentlich bekannt gemacht. Außerdem hätte "diese Lüge" der Armee maximal geschadet und sie würde Nigerianern und der internationalen Gemeinschaft ein falsches Bild des Militärs geben.

Schimpf und Schande für die Armee

Seit Monaten ist die Kritik an der Armee massiv und nimmt weiter zu. So haben beispielsweise der vor gut einem Jahr verhängte Ausnahmezustand in den drei Nordbundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa und die damit verbundenen Möglichkeiten für groß angelegte Militäreinsätze kaum zu Erfolgen im Kampf gegen Boko Haram beigetragen. Große Städte wie Maiduguri gelten zwar wieder als sicherer. Aber gerade in entlegenen ländlichen Regionen - etwa in der Nähe des Tschad-Sees - gibt es derzeit mehrmals pro Woche Überfälle auf Dörfer. Erst am Wochenende tötete Boko Haram wieder dutzende Menschen.

Proteste in Abuja (Foto: AP Photo/Sunday Alamba)
Die täglichen Proteste in Abuja setzen Militär und Regierung unter DruckBild: picture-alliance/AP Photo

Große Schelte hat sich die nigerianische Armee auch nach der Entführung von mehr als 200 Schülerinnen in dem nordostnigerianischen Dorf Chibok eingehandelt. Bei den täglich stattfindenden Demonstrationen in der Hauptstadt Abuja kritisierten Teilnehmer immer wieder die Tatenlosigkeit der Soldaten. Einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge sollen die Sicherheitskräfte bereits Stunden vor der Entführung Warnhinweise erhalten, aber nichts unternommen haben. Kurz nach der Veröffentlichung des Berichts dementierte das nigerianische Militär die Vorwürfe.

Boko Haram hat ein gutes Netzwerk

Dass es Kontakte zwischen führenden Generälen und Boko Haram gibt, kann sich Abubakar Dangiwa Umar, politischer Analyst und von 1985 bis 1988 Militärgouverneur in Kaduna, nicht vorstellen. Die Meldung über den angeblichen Kriegsgerichtsprozess sei deshalb ein großer Schock für ihn gewesen: "Ich denke nicht, dass Generäle oder auch andere Militärangehörige, die die Verbrechen von Boko Haram kennen, die Gruppe auch noch unterstützen", so Umar. Stattdessen hätten die Terroristen im ganzen Land ein gutes Netzwerk ziviler Informanten.

Trotzdem hat es in den vergangenen Wochen viele Spekulationen über mögliche Verbindungen zwischen der Terrorgruppe und nigerianischen Militärs gegeben. Dafür sorgten zum Beispiel zwei im Mai veröffentlichten Videos der Terrorgruppe. Darin seien unter anderem Panzer zu sehen, erzählt Hussaini Abdu, nigerianischer Landesdirektor der nichtstaatlichen Organisation Action Aid. "Die Menschen fragen sich, wie solche Fahrzeuge überhaupt in diese entlegenen Regionen kommen." All das würde Gerüchte anheizen. Tatsächlich überprüfen lassen sie sich nicht.

Karte der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa (Foto: DW)
Seit Mai 2013 gilt in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand

Frühe Kontakte zwischen Boko Haram und Politikern

Doch nicht nur dem Militär werden Verbindungen zu Boko Haram vorgeworfen, sondern auch Politikern aus dem Norden. Anfangs sei das tatsächlich der Fall gewesen, sagt Nnamdi Obsai, Nigeria-Analyst der Denkfabrik International Crisis Group. So habe es etwa Verbindungen zwischen Boko Haram und Ali Modu Sheriff gegeben, der von 2003 bis 2011 Gouverneur des Bundesstaats Borno war. Das müsse allerdings in Zusammenhang mit seinen politischen Interessen gesehen werden, so Obasi: Frühe Boko Haram-Mitglieder hätten beispielsweise "korrupte Politiker aus dem Norden" kritisiert. Die Gruppe sei öffentlich aufgetreten, ihre Moschee war bekannt, mit der Terrorgruppe von heute nicht vergleichbar. "Für die heutige Zeit haben wir keine Belege, dass die Verbindungen weiter bestehen", so Obasi.

Soldaten in Nigeria (Foto: EPA/GEORGE ESIRI)
Nigerianische Soldaten: Schlechte Ausstattung, mangelnde MotivationBild: picture-alliance/dpa

Was die Entwicklung heute schwierig macht, sei die schlechte Ausstattung der Armee, sagt Hussaini Abdu von Action Aid. Zwar sei sie nicht schlechter ausgestattet als Boko Haram, aber: "Ich glaube, dass Boko Haram viel stärker motiviert ist. Den nigerianischen Soldaten fehlt die Motivation, aber auch gute Ausrüstung." Dabei ist das Verteidigungsbudget hoch. Etwa jeder fünfte Naira fließt dorthin. Doch das Geld kommt nicht an. "Das System ist mittlerweile pervers korrupt", beklagt Abdu. Menschen in öffentlichen Ämtern würde es heute nur noch darum gehen, den besten persönlichen Nutzen zu erzielen. "Korruption beeinflusst die nigerianische Armee, und das beeinträchtigt auch die Sicherheit in unserem Land."