Das ist er wieder, der Tod. Das Bundesverfassungsgericht hat den Tod aus der Tabuzone geholt, und das ist gut so. Denn der Tod gehört zum Leben und jeder muss ihm irgendwann ins Auge sehen, im oder am Sterbebett.
Karlsruhe hat das Verbot der sogenannten "geschäftsmäßigen" Sterbehilfe gekippt und den Strafrechtsparagraphen 217 für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungsrichter haben klar gestellt, dass zur Entfaltung des im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gehört.
Was bedeutet "geschäftsmäßig"?
Nur fünf Jahre währte das 2015 eingeführte Verbot der "geschäftsmäßigen Sterbehilfe". Die juristische Definition des Begriffs hatte in der Praxis zu Verunsicherung geführt: Viele Ärzte, Palliativmediziner, Pfleger und Sterbehilfevereine verlangten nach einer Klarstellung, weil sie sich kriminalisiert fühlten.
Nun muss der Gesetzgeber nachbessern. Damit ist die Debatte über Sterbehilfe in Deutschland abermals eröffnet. Endlich! Schon die jüngste Debatte über die Organspende zeigt, wie überfällig die Auseinandersetzung mit dem Tod hierzulande ist. In Deutschland sterben jedes Jahr rund 850.000 Menschen. Der Tod lässt sich nicht auf Palliativstationen verdrängen - er begegnet uns überall.
Brauchen todkranke Menschen Hilfe beim Sterben oder Hilfe zum Sterben oder beides? Welche Argumente sprechen für oder gegen Sterbehilfe? Aktiv oder passiv? Gibt es ein Recht auf assistierten Suizid? Diese Fragen müssen von der ganzen Gesellschaft beantwortet werden.
Nein zu "Tötung auf Verlangen"
Wohlgemerkt: Bei der Entscheidung geht es nicht um die aktive Sterbehilfe, so wie sie zum Beispiel in Belgien, in den Niederlanden oder bald auch in Portugal praktiziert wird. Die "Tötung auf Verlangen", bei der ein anderer als der Sterbewillige dessen Tod herbeiführt, ist in Deutschland im Paragraph 216 des Strafgesetzbuches verboten. Es geht darum, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben einerseits und die staatliche Pflicht zum Schutz des Lebens andererseits auszutarieren.
Sterben kann grausam sein. Die Angst vor dem Tod kann einem niemand nehmen, wohl aber die Angst, beim Sterben allein gelassen zu werden. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren drei Menschen aus meinem engsten familiären Umfeld sterben sehen. Sie wollten keine lebensverlängernden Maßnahmen, keine künstliche Ernährung, aber vor allem: Sie wollten keine Schmerzen mehr ertragen.
Trotz allem haben sie um jede Minute ihres Lebens gekämpft, und diesen Kampf haben sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Angehörigen geführt. Die Palliativmedizin hat ihnen dabei geholfen, diesen Kampf in Würde bis zum Tod durchzustehen. Für die Hilfe bin ich zutiefst dankbar.
Die Begleitung von Sterbenden und die Auseinandersetzung mit dem Tod zeigt jedoch auch, dass es Fälle unermesslichen Leids gibt, wo auch die Palliativmedizin an ihre Grenzen kommt. In diesen Fällen ist es wichtig, wenn Patienten, Mediziner und Angehörige wissen, dass sie dieses unerträgliche Leiden beenden können, wenn alle Möglichkeiten der Behandlung ausgeschöpft sind.
Vorbild US-Staat Oregon?
Allein das Wissen um diese Möglichkeit kann eine psychologische Entlastung sein, auch wenn dieser Weg niemals in Anspruch genommen wird. Genau dies lässt sich im US-Bundesstaat Oregon beobachten.
Dort ist Suizidhilfe grundsätzlich strafbar, außer sie wird von Ärzten unter Einhaltung strenger Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt und dokumentiert. Am Ende kann die tödliche Dosis eines Betäubungsmittels bereitgestellt werden, die der Patient dann selbst einnimmt. In Oregon macht allerdings nur ein Drittel der Betroffenen davon Gebrauch.
Ich gebe zu: Man ist niemals wirklich vorbereitet auf den Tod, auch wenn man jahrelang Zeit hatte, sich ihm mit zu beschäftigen. Doch es hilft, dem Tod in die Augen zu sehen - sei es mit einer Patientenverfügung, beim Thema Organspende oder auch bei der Sterbehilfe. Denn am Sterbebett helfen ideologische oder religiöse Grabenkämpfe nicht weiter. Es zählen Wunsch und Würde des Sterbenden, die Trauer der Angehörigen, und die Sehnsucht, in Frieden aus dem Leben scheiden zu dürfen.