Steinmeiers Plan
16. Juli 2008Der Streit um die abtrünnige georgische Republik Abchasien spitzt sich zu. Seit Dienstag führen Russland auf der einen und Georgien gemeinsam mit den USA auf der anderen Seite Militärmanöver durch. So üben 8000 russische Soldaten einen möglichen Einmarsch in Georgien, während auf georgischer Seite 1000 amerikanische Soldaten an der Übung "Immediate Response 2008" (Schnelle Reaktion) teilnehmen.
Heikle Vermittlungsmission
In dieser Situation reist am Donnerstag (17.07.2008) Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Georgien. Deutschland will im Streit um Abchasien vermitteln. Auf dem Programm stehen Treffen mit Sergej Bagapsch, dem abchasischen De-Facto-Präsidenten, und Georgiens Staatspräsident Michail Saakaschwili. Anschließend reist Steinmeier nach Moskau weiter.
Schon in den vergangenen Monaten hatte es diverse Zwischenfälle in Abchasien gegeben, bei denen auch Menschen ums Leben kamen. "Die Provokationen von beiden Seiten haben zugenommen", sagt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Das ist sehr besorgniserregend." Abchasien hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion für unabhängig erklärt und wird darin von Russland unterstützt.
Drei Schritte zum Frieden
Steinmeier setzt nun auf einen Drei-Stufen-Plan, damit der Konflikt nicht eskaliert: In einem ersten Schritt sollen beide Seiten einen Gewaltverzicht vereinbaren. Dann soll als zweites der Wiederaufbau in Abchasien gefördert werden. Europa und Russland sollen die nötigen Mittel bereitstellen. Außerdem sollen georgische Flüchtlinge nach Abchasien zurückkehren können, die während des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren geflohen sind. Erst als dritter und letzter Schritt soll der Status der abtrünnigen Republik geklärt werden.
Experten sind skeptisch, dass Steinmeier damit Erfolg haben wird. "Russland hat kein Interesse an einer Lösung des Konflikts", sagt Ekkehard Maas von der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft. Das Land strebe danach, sich die abtrünnige georgische Republik einzuverleiben. "Ohne Russland ist dieser Konflikt aber nicht zu lösen."
Widerstand in Europa und den USA
DGAP-Experte Rahr sieht andere Schwierigkeiten. "Dem deutschen Friedensplan würde ich große Chancen geben, wenn alle Europäer hinter ihm stehen würden und vor allen Dingen die Amerikaner ihn nicht torpedieren würden aus ihren eigenen Interessen", sagt Rahr. Das Problem bei der EU ist seiner Ansicht nach, dass sich ihre Mitglieder nicht einig sind, wie sie mit Russland umgehen sollen. Deutschland und Frankreich zum Beispiel wollten Fragen der Sicherheit mit Russland gemeinsam lösen. Andere Staaten wie Polen oder die baltischen Länder setzten auf eine Eindämmungspolitik gegen Russland.
Die USA wiederum sind ebenfalls für einen harten Kurs gegen Russland, befürchtet Rahr: "Der amerikanische Präsident will in den letzten Monaten seiner Amtszeit noch etwas Positives auf die Beine stellen. Also versucht er, Georgien in die NATO zu holen. Das geht eben am besten, wenn man Georgien als Opfer einer russischen Aggression darstellt."
Harter Kurs gegen Russland
Mit der Aufnahme Georgiens in die NATO war Bush zwar im April beim NATO-Gipfel in Bukarest gescheitert. Das Ziel NATO-Beitritt ist damit aber nicht aufgehoben. Gerade erst hat das Parlament in Tiflis beschlossen, die Zahl der georgische Soldaten von 32.000 auf 37.000 Soldaten zu erhöhen. Die Militärausgaben werden noch dieses Jahr um 209 auf 989 Millionen Dollar erhöht. Begründet wurde die Aufrüstung damit, dass die Armee den Anforderungen der NATO angepasst werden müsse.
Dass Abchasien unabhängig werden könnte, ist für Befürworter eines harten Kurses gegen Russland natürlich ausgeschlossen. DGAP-Experte Rahr bezweifelt, dass sich so der Konflikt lösen lässt: "Man darf in Verhandlungen eine Unabhängigkeit Abchasiens wie im Falle Kosovos nicht völlig ausschließen, wenn man mit den Abchasiern vertrauensvolle Verhandlungen führen möchte." Auch Ekkehard Maas von der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft hält einen Kompromiss für möglich: ein unabhängiges Abchasien, das eine Föderation mit Georgien eingeht. Auch wenn er persönlich für ein multiethnisches Georgien ist.