Georgien vor Krieg?
8. Juli 2008Sowohl in Georgien als auch in Südossetien hätte man begonnen, Kinder aus der Region in Sicherheit zu bringen, berichteten russische Medien am Dienstag (8.7.2008). Die russischen Staatsagentur RIA Nowosti zitierte einen Sprecher des südossetischen Präsidenten, Dmitri Medojew. Nach dessen Worten bereite Georgien einen Angriff vor. Außerdem baue das georgische Militär Befestigungs- und Aufklärungsanlagen. Der Frieden in der Region hänge an einem "seidenen Faden", zitierte die Moskauer Zeitung "Kommersant" einen namentlich nicht genannten Spitzenfunktionär des Außenministeriums in Tiflis.
Südossetien und Abchasien hatten sich nach dem Niedergang der Sowjetunion in Unabhängigkeitskriegen von Georgien gelöst. Völkerrechtlich gehören sie weiter zu Georgien, wirtschaftlich sind sie jedoch von Russland abhängig.
Scharmützel mit Folgen?
Abchasien hat Südossetien im Fall eines georgischen Militärschlags Hilfe angeboten. In den beiden abtrünnigen Regionen waren in den vergangenen Tagen bei Bombenanschlägen und Feuergefechten mindestens sechs Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. In Südossetien waren am Dienstag zudem vier georgische Soldaten vorübergehend festgenommen worden. Nach georgischen Angaben hatten die Männer eine befreundete Familie in dem Konfliktgebiet besucht. Südossetien warf ihnen jedoch Spionageabsichten vor.
Spannungen vor hohem US-Besuch
Vor ihrem Besuch in Georgien am Mittwoch forderte US-Außenministerin Condoleeza Rice alle Seiten auf, Provokationen zu unterlassen, wie Medien in Tiflis berichteten. Sie warf Russland vor, durch die Unterstützung Südossetiens und der ebenfalls von Georgien abtrünnigen Region Abchasien die Spannungen in dem Gebiet verschärft zu haben. Moskau hatte seine über ein Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in der Region stationierten Truppen unter dem Protest Georgiens aufgestockt.
"Frieden hängt am seidenen Faden"
Das georgische Parlament hatte am Wochenende mit Blick auf die zugespitzte Lage in der Region die Erhöhung des Verteidigungsbudgets um umgerechnet 100 Millionen Euro auf eine halbe Milliarde Euro verabschiedet, um neue Munition und Technik anzuschaffen.
Ebenfalls am Wochenende hatte der russische Präsident Dmitri Medwedew seinen Amtskollegen Michail Saakaschwili bei einem persönlichen Treffen in Kasachstan vor weiteren Provokationen gewarnt und weitere Verhandlungen angemahnt. Westliche Experten in Moskau gingen bislang davon aus, dass Russland angesichts der 2014 in dem Schwarzmeerkurort Sotschi geplanten Olympischen Spiele keine Interesse an einem Krieg in der Region habe.
EU schickt Kaukasus-Beauftragten
Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana äußerte sich "sehr besorgt" über die Lage in der Region. Die Spannungen hätten ein "gefährliches Niveau" erreicht, erklärte Solana am Dienstag in Brüssel. Er rief alle Beteiligten zu Zurückhaltung und vertrauensbildenden Maßnahmen auf. Um Ruhe in die sich zuspitzende Lage zu bringen, hat Solana den EU-Beauftragten für den Kaukasus, Peter Semneby, nach Georgien entsandt.
Konflikt mit Geschichte
Südossetien gehörte zu Sowjetzeiten als autonomes Gebiet zu Georgien. Nachdem Georgien 1991 seine Unabhängigkeit erklärte, entzog die Führung in Tiflis dem Gebiet den Autonomiestatus. In einem anschließenden Krieg verlor Georgien Ende 1992 die Kontrolle über Südossetien. Saakaschwili hatte erklärt, notfalls militärische Gewalt anzuwenden, um die territoriale Integrität der Kaukasusrepublik zu sichern. Der prowestliche Präsident will sein Land in die NATO und die EU führen. Kritiker im eigenen Land werfen ihm vor, keine Pläne für die Entwicklung der abtrünnigen Gebiete zu haben. (leix)