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Springreiter in der Warteschleife

30. März 2020

Wegen der Corona-Krise ruht auch der Reitsport. Zwar trainieren die Top-Reiter eingeschränkt weiter, aber die Turniere fehlen. Die Pferde werden daher anders trainiert. Auch für die Turnierausrichter ist vieles ungewiss.

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Christian Ahlmann aus Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa/BELGA/J. Jacobs

Christian Ahlmann kann momentan nichts anderes tun als abzuwarten. Zwar reitet der 45-jährige Springreiter seine Turnierpferde auf seinem Hof auch in der Corona-Zwangspause weiter, jedoch fallen bis auf weiteres die Turniere weg. Und das momentane Training hat nur sehr wenig mit dem zu tun, was Pferd und Reiter unter Wettkampfbedingungen im Parcours erarbeiten könnten. "Wir versuchen die Pferde im Moment weiter fit und in Kondition zu halten, aber das Sprung- und Parcourstraining, das speziell für die Turniere ansteht, fällt erst einmal weg", erzählt Ahlmann der DW am Telefon. "Und wenn in den nächsten drei bis fünf Monaten tatsächlich kein Turnier stattfindet, werden wir das Ganze auch noch weiter herunterschrauben müssen."

Ahlmann, derzeit Nummer zwölf der Weltrangliste, wollte sich eigentlich mit seinen Pferden Clintrexo, einem elfjährigen Hengst, und dem ein Jahr jüngeren Dominator in den kommenden Wochen und Monaten auf die Olympischen Spiele vorbereiten. Für Clintrexo und Dominator, genau wie für alle weiteren Turnierpferde, die Ahlmann reitet, gab es individuelle Trainings- und Wettkampfpläne. "Die Einsätze und das Training sollten so angepasst werden, dass die Pferde am Ende der Freiluft-Saison sozusagen auf 120 Prozent sind", sagt Ahlmann.

Europameisterschaft Rotterdam Christian Ahlmann
Christian Ahlmann wollte sich mit seinem Top-Pferd Clintrexo auf Tokio vorbereitenBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Doch wann es weitergehen kann, weiß momentan niemand, auch wenn nun feststeht, dass die Olympischen Spiele in Tokio am 23. Juli 2021 beginnen sollen. Doch hätte gerade der bei internationalen Turnieren noch unerfahrene Dominator eine komplette Saison mit Teilnahmen an Nationenpreisen oder beim CHIO in Aachen gut gebrauchen können. "Es geht nicht nur darum, dass Fitness und Kondition auf 100 Prozent sein müssen, sondern vor allem um die Abstimmung und das gegenseitige Kennenlernen in großen, schweren Parcours", sagt Ahlmann. "Dominator bräuchte wesentlich mehr Turniere, um jede Situation schon einmal durchgespielt und erlebt zu haben."

Becker: "Momentan herrscht Stillstand"

Auch für den Bundestrainer der Springreiter ist die Situation nicht einfach: "Die Planungen sind seit Monaten und Jahren auf die Olympischen Spiele in Tokio ausgerichtet gewesen. Das war das Hauptziel, auf das alle hingearbeitet haben - und im Moment ist Stillstand", sagt Otto Becker der DW. Mit Christian Ahlmann und seinen anderen Athleten steht er derzeit nur telefonisch in Kontakt. Langfristig planen könne man derzeit ohnehin nicht. "Es ist ja nicht absehbar, wie lange dieser Zustand noch anhält", so Becker. "Aber wenigstens haben wir jetzt Klarheit über die größeren Events, die diesen Sommer hätten stattfinden sollen."

Michael Mronz
Michael MronzBild: imago images/S. Simon

Für diese Klarheit hat neben dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) mit der Olympia-Absage auch die Aachener Reitturnier GmbH gesorgt. Der CHIO in Aachen [CHIO = Concours Hippique International Officiel, Anm.d.Red.], das offizielle deutsche Reitturnier, gab vor einigen Tagen bekannt, dass man den geplanten Termin Ende Mai/Anfang Juni nicht halten könne und ihn auf einen noch nicht festgelegten, späteren Zeitpunkt verschiebe. Kein einfacher, aber ein logischer Schritt: "Für uns steht die Gesundheit aller Beteiligten im Mittelpunkt. Daher gab es für uns auch keine andere Entscheidung", sagt Michael Mronz, der Geschäftsführer der Aachener Reitturnier GmbH im Telefonat mit der DW. Eine große Rolle spielte laut Mronz dabei auch, dass die Behörden um eine Verschiebung baten, da nicht vorstellbar sei, "bereits im Sommer wieder Veranstaltungen dieser Größenordnung zu genehmigen".

Hamburger Hoffnungen

Anders als beim Aachener Turnier, hofft man beim Deutschen Spring- und Dressurderby in Hamburg, dass das Turnier vielleicht doch noch wie geplant vom 21. bis 24. Mai stattfinden kann. "Wir haben uns dazu entschlossen, gemeinsam mit der Stadt Hamburg abzuwarten, wie sich die 14-Tage-Frist nach Einführung der Kontaktsperre auswirkt", erklärt Volker Wulff, der Geschäftsführer des Turnierveranstalters EN GARDE.

Deutsches Spring- und Dressur-Derby -  Gilbert Tillmann
Traditionsreich und spektakulär: Ausgerechnet zum Jubiläum droht das Hamburger Derby auszufallenBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Weil es der 100. Geburtstag des traditionsreichen Turniers wäre, würde man nur sehr ungern absagen. Möglicherweise wird das Turnier kleiner ausfallen als ursprünglich geplant. Bei allen möglichen Szenarien steht eines für Wulff aber fest: "Vor leeren Rängen veranstalten wir kein Turnier."

Der CHIO Aachen ohne Publikum ist auch für Michael Mronz keine Option. Außerdem sagt er: "Es gibt momentan für viele Menschen wichtigere Dinge, als die Frage: Findet in diesem Jahr ein CHIO Aachen statt, ja oder nein?" Anders als bei vielen Fußball-Vereinen oder Klubs aus der deutschen Basketball- oder Handball-Liga schaut man bei der Aachener Reitturnier GmbH dennoch positiv in die Zukunft: "Sollte ein CHIO 2020 aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen nicht möglich sein, werden wir sicher in der Lage sein, 2021 einen CHIO auszutragen, wenn es dann die äußeren Rahmenbedingungen zulassen", sagt Mronz. "Um die Zukunft des CHIO muss man nicht bangen."

Und der 52-Jährige glaubt auch, dass die Corona-Krise zumindest eine positive Folge haben wird: "Ich glaube, dass das Miteinander in einer solchen Krisensituation gefördert wird", sagt Mronz. "Wenn die Situation eines mit sich bringt, dann dass man einander wieder mit größerer Wertschätzung begegnet. Der Austausch miteinander wird eine neue Kultur bekommen. Ich glaube, es wird eine neue Kultur in eine gute Richtung miteinander werden und nicht mehr so aggressiv gegeneinander."