Olympia-Traum für Karlsson geplatzt
18. Februar 2020Es wäre zu schön gewesen! Vor wenigen Wochen war die Freude bei Mathilda Karlsson groß. Die Springreiterin hatte sich für die Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert. Dort wollte sie als erste Reiterin für ihr Geburtsland Sri Lanka an den Start gehen. Was für eine Geschichte: eine Frau, die als drei Monate altes Baby aus Sri Lanka von einer schwedischen Familie adoptiert wurde, dort das Reiten lernte, später als Bereiterin für ein Praktikum nach Deutschland kam und dort zur Stall-Managerin eines Gestüts wurde. Seit 16 Jahren lebt und arbeitet Karlsson auf dem Gestüt Grönwohldhof etwa 30 Kilometer östlich von Hamburg in Schleswig-Holstein.
Die heute 35-Jährige ist zwar nur auf Rang 283 der Weltrangliste notiert und gehört damit nicht zur Weltspitze der Springreiter. Trotzdem schaffte sie es Ende des vergangenen Jahres, sich die nötigen Qualifikationspunkte für Tokio 2020 zu erreiten. Allerdings ist die Art und Weise, wie das geschah, nun das Problem.
Mehr Prüfungen, keine Konkurrenz
Karlsson, die bis 2018 noch für Schweden ritt, startete im Dezember 2019 mit ihrem Hengst Chopin bei drei Turnieren in Villeneuve-Loubet, einem Ort an der französischen Mittelmeerküste zwischen Nizza und Cannes. Dort gelangen ihr neun der für die Olympia-Qualifikation relevanten Ergebnisse - insgesamt wurden die 15 besten Ergebnisse aus dem Jahr 2019 pro Reiterin oder Reiter gewertet.
Schnell allerdings entzündete sich Kritik daran, dass zum Turnier keine starke Konkurrenz eingeladen worden war, sondern Nationen, die keinen Reiter unter den ersten 1000 der Weltrangliste haben. Insgesamt waren in Villeneuve-Loubet nur sehr wenige Reiter am Start, in einigen Prüfungen, darunter auch einem so genannten Großen Preis, gingen nur fünf Reiter in den Parcours. Zudem hatte der Turnierveranstalter offenbar mehr Prüfungen ausreiten lassen, als ursprünglich geplant. Es war den startenden Reitern daher möglich, noch mehr Olympia-Qualifikationspunkte zu sammeln.
"Unerfreuliche Situation"
Mehrere Springreiter, die sich durch das Verteilungssystem der Olympia-Plätze benachteiligt fühlten, schalteten den International Jumping Riders Club (IJRC) ein. Dessen Direktorin Eleonore Ottaviani sprach von einer "unerfreulichen Situation" und forderte den Weltreitverband FEI auf, einzugreifen. Die folgende Untersuchung der FEI ergab nun, dass die Startplätze für Tokio neu verteilt werden müssen.
Von Seiten der FEI hieß es: "Die Untersuchung der drei Turniere in Villeneuve-Loubet im Dezember 2019 hat ergeben, dass gegen die FEI-Regeln bei jedem Turnier zwei Prüfungen nach Nennungsschluss hinzugefügt wurden, die für die Olympische Rangliste und die Weltrangliste zählten. Die aktualisierten Zeiteinteilungen der drei Turniere wurden der FEI durch den französischen Verband übermittelt und irrtümlicherweise von der FEI abgenommen."
Freude beim deutschen Reitverband
Dieser "Irrtum" wurde durch die FEI nun korrigiert, was beim deutschen Reitverband, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) Lob erntete: "Es ist ein gutes Zeichen, dass es rausgekommen ist", sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. "Mit Fairplay und dem olympischen Gedanken hatte das nicht so viel zu tun." Ähnlich sieht es der FN-Präsident. "Ich will bestimmten Reitern keine Vorwürfe machen, aber irgendeiner wollte da betrügen", kommentierte Breido Graf zu Rantzau: "Das macht ja keiner aus Lust und Laune. Gut, dass auch die FEI ihre Fehler eingesehen hat."
Statt an Karlsson für Sri Lanka gehen die letzten Einzelstartplätze für Tokio nun an Jsamine Chen aus Taiwan und Kenneth Cheng aus Hongkong. Erste Ersatznation ist Thailand, erst die zweite Sri Lanka. Vor Karlsson müssten also zwei Reiter verzichten oder ausfallen, damit sie doch noch unter olympischer Flagge starten kann.
Oder sie muss vier Jahre warten und 2024 in Paris ihr Glück versuchen. Gut genug dafür ist sie, die entsprechenden Pferde hat sie ebenfalls. Und ernstzunehmende Konkurrenz ist in ihrem Heimatland Sri Lanka weit und breit nicht in Sicht.