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Zoff um Spotify

Silke Wünsch30. Dezember 2014

US-Popsängerin Taylor Swift hat ihr komplettes Repertoire von der Streaming-Plattform "Spotify" entfernt - damit ist sie nicht die einzige. Die Künstler wollen sich nicht unter Wert verkaufen.

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Bild: Getty Images/J. Merritt

Spotify bietet eine fast unbegrenzte Zahl von Songs an, die von mittlerweile 60 Millionen Nutzen aus dem Netz gestreamt werden. Entweder kostenfrei, dafür mit viel Werbung, oder mit einem Monatsabo, das den Nutzern auch erlaubt, die Songs offline zu hören. Immerhin nutzen auch schon 15 Millionen Spoitify-User diese Option. Das ist eine neue Entwicklung im Musikkonsum, die die Plattenindustrie empfindlich stört. Denn hier werden hohe Umsatzeinbrüche befürchtet. Das war alles schon einmal da – als vor nunmehr fast 20 Jahren die mp3 den Musikmarkt revolutionierte.

Im Fall der US-Sängerin Taylor Swift scheint sich die Befürchtung in konkreten Zahlen zu manifestieren: Anstelle der erhofften sechs Millionen Dollar habe die Sängerin durch das Streaming nur eine halbe Million in den vergangenen zwölf Monaten eingenommen, hieß es seitens ihrer Plattenfirma "Big Machine Records".

Und das ist bemerkenswert, denn während es mit der Plattenindustrie tatsächlich weiter bergab geht, sind Swifts Umsätze gestiegen. Dennoch ist die Sängerin der Meinung, bei Streamingdiensten werde ihre Musik weit unter Wert verhökert. Schon im Juli hatte die 24-jährige Sängerin im Wall Street Journal ein glühendes Plädoyer für die Musikindustrie gehalten, in dem es heißt, dass Musik natürlich ihren Preis habe und dass sie die "Umsonstmentalität" vieler Konsumenten nicht unterstütze.

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"Spotify ist ein großes Experiment"

In einem Interview mit Yahoo sagte die Sängerin, die Musikindustrie verändere sich so schnell, dass sich alles wie ein großes Experiment anfühle. "Ich möchte nicht Teil eines Experiments sein, das den Künstlern und allen, die an einem Werk beteiligt sind, nicht das gibt, was ihnen für ihre Arbeit zusteht."

Die Sängerin, deren Vermögen auf gute 200 Millionen Dollar geschätzt wird, machte kurzen Prozess und nahm nicht nur ihr neues Album "1989" aus dem Spotify-Angbot, sondern auch sämtliche weitere Platten.

Andere Popstars tun es ihr gleich. Von AC/DC etwa gibt es keinen Song bei Spotify. Von den Beatles nur ein paar sehr frühe Werke. Superstar Beyoncé hatte ihr Überraschungsalbum, das Ende 2013 veröffentlicht wurde, nicht bei Spotify eingespielt. Ihr Remix-Album ("Beyoncé - Platinum Edition") stellte sie dann im November 2014 doch bei dem Streamingdienst ein.

Auch in Deutschland regt sich Widerstand. Sven Regener, Schriftsteller und Sänger der Band "Element of Crime", ist von jeher nicht gut auf Streaming und Filesharing zu sprechen. Im September kam das neue Album der Band – doch bei Spotify und anderen Streamingdiensten tauchte es nicht auf. Im Interview mit dem Musikmagazin "Musikexpress" sagte er damals, diese Dienste seien "der 1-Euro-Shop der Musik", dabei wolle er nicht mitmachen. Auch die Ärzte und die Toten Hosen machen nicht mit. Selbst die Jungs von Rammstein wehrten sich gegen das Streaming. Bis Spotify Ende November 2014 freudig verkündete, dass die Alben von Rammstein ab sofort getreamt würden.

Sven Regener
Sven Regener hat 2012 eine Debatte über das Urheberrecht ausgelöstBild: Charlotte Goltermann

Zank um Zahlenspiele

Tatsächlich zahlt Spotify für jeden gestreamten Song durchschnittlich 0,7 Eurocent an den Urheber. Das klingt wenig. Ist es auch – für unzählige Künstler, die nicht den Bekanntheitsgrad haben wie etwa Taylor Swift. Hören aber weltweit 30.000 Fans einmal am Tag einen Song von einem Superstar, sieht der Tagessatz schon ganz anders aus.

Dessen ist sich auch Spotify-Chef Daniel Ek bewusst, wie in seinem Blog zu lesen ist. Auch er sagt, Musik sei eine Kunst und Künstler müssen davon leben können. Wie er das Problem mit der unterschiedlichen Gewinnmage je nach Bekanntheitsgrad des Künstlers lösen will, kann er selbst nicht genau sagen und gibt zu: "Das Musikgeschäft verändert sich, Spotify steht an der Spitze dieser Veränderung und so läuft hier, wie bei allen Neuerungen, noch nicht alles ganz rund."

Hauptsitz von Spotify in Stockholm
Der Firmensitz von Spotify ist im schwedischen StockholmBild: DW/J. Tompkin

Währenddessen muss sich Ek ernsthaft Sorgen machen. Sind die ganz Großen nicht mehr in seinem Streaming-Kanal zu finden, springen die Nutzer ab. So prophezeit er Taylor Swift, dass sie mit dem Streaming an die sechs Millionen Dollar verdienen könnte, wenn sie dabei bleiben würde. Swifts Plattenfirma sieht das nicht so. Die halbe Million, die sie vergangenes Jahr verdient habe, bekäme sie auch für 50.000 verkaufte Alben. Ihr neuestes Werk aber ist innerhalb einer Woche 1,2 Millionen Mal verkauft worden.

Möglichkeiten für Newcomer

Junge Musiker und Nachwuchskünstler sollten nach Ansicht von Urheberrechtsexperten ihre Vermarktung selbst in die Hand nehmen, anstatt ihre Rechte an Plattenlabels abzugeben. Der US-Anwalt Kevin J. Greene rät: "Geht raus, spielt live, verkauft eure Platten auf den Konzerten, baut eure Fangemeinden auf und sucht neben dem Verkauf eurer Musik noch andere Einnahmequellen."

Wie das aussehen kann, zeigt eine Kölner Band, die sich innerhalb von kurzer Zeit einen gewissen Ruhm im Kölner Raum geschaffen hat. "Kasalla" singen auf Kölsch (der Kölner Mundart), treten an 300 Tagen im Jahr in ausverkauften Hallen auf und pflegen einen engen Kontakt mit ihren Fans. Sie sind in allen wichtigen sozialen Netzwerken von Facebook bis Instagram zu Hause und haben ein großes Merchandising-Angebot. Sie richten Wettbewerbe aus, bei denen Fans die Teilnahme an ihren Videoclips gewinnen können. Ihre erste Live-DVD haben sie per Crowdfunding finanziert. Bei Spotify sind sie aber auch zu hören.

Kasalla
Die Kölner Band Kasalla spielt mittlerweile vor mehr als 11.000 ZuschauernBild: picture alliance/BREUEL-BILD