Sportler aus Belarus: Olympia aus der Ferne
5. August 2021Andrej Krawchenko war einmal ein Held in seiner Heimat. Und in gewisser Hinsicht ist er es noch. Als Zehnkämpfer gewann er 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking Silber. Doch Jahre später geriet er in Konflikt mit dem Regime in Belarus. Krawchenko war einer von mehr als 400 Sportlern, die im August 2020 einen offenen Brief unterzeichneten, der dem Machhaber Alexander Lukaschenko nicht gefallen konnte. Die Sportlerinnen und Sportler prangerten die Fälschung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom August 2020 an - und die Gewalt seitens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten. Kurz darauf wurde er aus der belarussischen Nationalmannschaft ausgeschlossen. Und zwischenzeitlich auch inhaftiert. Zehn Tage lang.
Aus sicherer Entfernung
Wenn Krawchenko heute die Olympischen Spiele beobachtet, dann aus sicherer Entfernung. Zusammen mit seiner Frau Jana Maksimowa und der kleinen Tochter ist er im Ruhrgebiet - mit Visum - fern der Heimat. Und der jungen Familie ist klar: So lange sich in Belarus nicht etwas grundlegend ändert, werden sie nicht dorthin zurückkehren, wie sie der DW schildern.
Der Fall der Olympia-Teilnehmerin Kristina Timanowskaja hat die beiden Sportler aufgewühlt. Auch Jana ist Athletin, Mehrkämpferin, noch 2017 auf internationaler Ebene aktiv und erfolgreich. Für Tokio 2020 hatte sie sich nicht qualifiziert - wie auch, bei einem Nationalen Olympischen Komitee, das inzwischen vom Sohn des Machthabers geführt wird?
"Nach all den Ereignissen habe ich nicht vor, nach Belarus zurückzukehren. Ich habe eine kleine Tochter, ich kann kein Risiko eingehen. Ich gehöre zu den Menschen, die nicht schweigen können", erklärt die Athletin auf Instagram. "Als ich in Belarus gelebt und trainiert habe, hat mich die ganze Situation nicht losgelassen. Während dieser Zeit habe ich alles riskiert und immer wieder etwas unternommen." Doch an den Machtverhätnissen in Belarus, die auch den Sport umfassen, konnte sie nichts ändern.
Das Paar spielte lange mit dem Gedanken, Belarus zu verlassen. Gerade in der letzten Zeit, so Krawchenko, sei die Situation für ihn und seine Frau daheim psychisch belastend gewesen. "Wir waren es satt, herumzulaufen und uns ständig umzusehen. Ins Auto zu steigen, das Haus zu verlassen, und sich dabei immer zu vergewissern, ob alles in Ordnung ist", sagt er der DW. Die endgültige Entscheidung zur Ausreise sei nach der Festnahme eines Bekannten gefallen. "Wir werden auf keinen Fall schweigen. In Belarus werden diejenigen, die die Wahrheit sagen, hinter Gitter gebracht", sagt Krawchenko.
Zurück als Wettkämpferin
Aber Maksimova ist dabei geblieben, sich offen zu äußern, ja öffentlich. Ihren Entschluss machte sie in dieser Woche über ihr Instagram-Profil öffentlich. Und steht gemeinsam mit ihrer Familie zu ihren Überzeugungen. Sie hofft aber, irgendwann bei Wettkämpfen unter der historischen weiß-rot-weißen Fahne von Belarus wieder antreten zu können. Im Gespräch mit der DW schildert sie ihren Traum: "Ich würde wirklich gerne das Training fortsetzen, sehr gerne eine Medaille gewinnen, bei der Europameisterschaft im Winter - im Siebenkampf, im Fünfkampf, egal." Und wenn das nicht klappt? "Dann wird mein Leben trotzdem weitergehen, ich werde die Sprache lernen und einen Job finden."
Für das Internationale Olympische Komitee (IOC) sind die Fälle der Sportler eine - vorsichtig ausgedrückt - delikate Angelegenheit. Wie auch im Fall der Kugelstoßerin Raven Saunders, wo die Funktionäre das Verfahren wegen der politischen Geste der Sportlerin bei der Siegerehrung ausgesetzt haben, gilt es, eine Linie zu finden, die die Grundrechte von Freiheit und Demokratie nicht völlig ad absurdum führt. Auch davon wird abhängen, ob Sportler und auch ehemalige Athleten wie Krawchenko und Maksimowa ihren Platz in der olympischen Familie behalten.