Spendenwerbung für Syrien-Hilfe
4. Februar 2016Die Gäste in London sollen Geld mitbringen - sehr viel Geld. Bei der Einladung für die Syrien-Geberkonferenz am Donnerstag haben die UN den diesjährigen Bedarf für das Bürgerkriegsland und die Nachbarstaaten auf insgesamt mehr als acht Milliarden Euro beziffert. So viel wird vermutlich nicht zusammenkommen, wenn unter den Vertretern aus 70 Staaten sprichwörtlich der Hut rumgeht. Doch der anhaltende Flüchtlingsstrom aus dem Bürgerkriegsland zwingt Europas Regierungen zum Handeln.
Gastgeber der Konferenz sind Großbritannien, Norwegen, Kuwait, die Vereinten Nationen und Deutschland. Sie werden der Weltgemeinschaft gemeinsam ins Gewissen reden. Bei den drei vorherigen Geberkonferenzen seit 2013 hatte jeweils Kuwait allein eingeladen. Im vergangenen Jahr waren dabei 3,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt worden. Allerdings hatten die UN den tatsächlichen Bedarf auf knapp das Doppelte veranschlagt.
Die Not ist groß. Nach bald fünf Jahren Bürgerkrieg sind nach Angaben der UN allein innerhalb Syriens 6,5 Millionen Menschen auf der Flucht. In der Türkei, Libanon, Jordanien und anderen Staaten der Region haben demnach weitere 4,7 Millionen Zuflucht vor dem Regime oder verschiedenen Rebellengruppen gesucht. Alle Flüchtlinge zu versorgen, stellt Nahost-Staaten und Hilfsorganisationen vor wachsende Probleme. Für viele Unterstützungsmaßnahmen und sogar Lebensmittel sind die Gelder ausgegangen.
Nicht alle Staaten öffnen bereitwillig die Geldbörse
Der Sprecher der UN-Behörde für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA), Jens Laerke, sieht in den acht Milliarden keine konkrete Zielvorgabe für London. "Wir rechnen nicht damit, den ganzen Betrag an einem Tag zusammenzubekommen", räumt Laerke im DW-Gespräch ein. Die Spendenwerbung werde das ganze Jahr weitergehen. "Wir erwarten natürlich, dass die Geber großzügig auf die Appelle eingehen", ergänzt der OCHA-Sprecher.
Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mahnt "starke Zusagen" der Weltgemeinschaft an. "Mit zehn Milliarden Euro internationaler Hilfe könnten wir die gesamte Region stabilisieren und das Signal an die Flüchtlinge geben: Ihr könnt vor Ort bleiben, wir schaffen euch eine Perspektive", betont Müller im DW-Interview.
Nicht alle Staaten öffnen bereitwillig die Geldbörse, wenn es um Notleidende und Vertriebene aus Syrien geht. Das Hilfswerk Oxfam beklagte, dass Staaten wie Katar, Saudi-Arabien, Japan und die USA gemessen an ihrer Wirtschaftskraft wenig getan hätten. Russland habe lediglich 6,9 Millionen Dollar gezahlt.
Säumige Geberländer
Auch die Syrien-Expertin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Petra Becker, glaubt nicht, dass in London die nötigen Beträge zusammenkommen. Länder wie Saudi-Arabien und Russland seien ohnehin mit ihren Zahlungen im Rückstand. "Gerade Russland wird kein Interesse daran haben, in der Region mehr Hilfe zu leisten, weil es kein Interesse daran hat, dass die Flüchtlingsströme nach Europa versiegen", sagt Becker.
Dagegen wollen die Gastgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Die Bundesregierung will laut "Rheinischer Post" ihre Flüchtlingshilfe im laufenden Jahr um 500 Millionen auf anderthalb Milliarden Euro aufstocken. London sagte zu, bis Ende Februar alle britischen Privatspenden für die Syrien-Winterhilfe beim UN-Kinderhilfswerk UNICEF zu verdoppeln.
Handlungsdruck ergibt sich nicht nur aus dem Elend von insgesamt 13,5 Millionen Hilfsbedürftigen allein in Syrien. Auch die Nachbarstaaten leiden unter den immensen Kosten durch die Aufnahme der Geflüchteten. SWP-Forscherin Becker verweist auf Jordanien, das erst am Dienstag betont hatte, es könne die Last durch Hunderttausende Menschen aus dem angrenzenden Land nicht länger schultern. "Das heißt, es wird noch mehr Spannungen geben, wie wir es jetzt schon im Libanon sehen", sagte Becker mit Blick auf das von inneren Konflikten zerrüttete Land.
Langfristige Strategie
Allerdings wollen die UN-Hilfswerke und ihre Partner nicht nur Lebensmittel, Medikamente und Unterkünfte bereitstellen. "Diesmal wollen wir ein langfristiges Engagement für die Schulbildung und die Schaffung von Arbeitsplätzen erreichen", erläutert Laerke. Ziel sei, die syrischen Kinder so gut auszubilden, dass sie später einmal selbst ihr Land wiederaufbauen könnten. Außerdem soll dem OCHA-Sprecher zufolge in den Ausbau der maroden Infrastruktur in den nahöstlichen Aufnahmeländern investiert werden. Das solle Jobs für Jordanier und Libanesen ebenso wie für qualifizierte Flüchtlinge aus Syrien schaffen.
Vom Wiederaufbau in Syrien kann derzeit noch keine Rede sein. Während in London über Geld geredet wird, streiten die Konfliktparteien weiter über die Rahmenbedingungen für Friedensgespräche. "Es ist Augenwischerei zu glauben, dass mehr Geld für Flüchtlingshilfe in die Region zu pumpen eine Alternative zu einer politischen Lösung sein kann", mahnt Becker. Ohne Erfolge in Genf wird auch 2017 wohl wieder der Hut für Syrien rumgehen.