SPD: "So kann es nicht weitergehen"
22. Oktober 2018Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner stellt den Fortbestand der großen Koalition infrage. Die "katastrophale Entwicklung" der vergangenen Monate und das Wählervotum in Bayern zeigten eindeutig, "dass es so nicht weitergehen kann", sagte Stegner in einem Interview der Zeitung "Die Welt". Wenn sich das Erscheinungsbild der Berliner Koalition nicht rasch und drastisch ändere, "dann wird dieses Bündnis keinen Bestand haben".
Der SPD-Parteivize warnte die Sozialdemokraten zwar vor "Panikreaktionen" mit Blick auf die Hessen-Wahl am kommenden Sonntag. Er mahnte aber zugleich: "Was jetzt noch innerhalb dieser Koalition geht, darüber werden wir sehr ernsthaft diskutieren müssen." Stegner wies auch darauf hin, Personalentscheidungen anderer Parteien könnten nicht die Probleme der SPD lösen. Er bezog sich damit auf Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, der nach dem Einbruch der Christsozialen bei der Bayern-Wahl vor einer Woche kürzlich erstmals den Rücktritt vom Parteivorsitz als Möglichkeit genannt hatte.
Eindeutig Position beziehen
Stegner forderte die SPD dazu auf, wieder sehr viel eindeutiger Position zu beziehen, zum Beispiel im Diesel-Skandal und beim Thema Waffenexporte. "Wir müssen parallel zur Arbeit in der Regierung Klartext reden und in deutlicher Abgrenzung zur Union sagen, was wir wollen."
Ähnlich sieht dies die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Vize Malu Dreyer. Zwar wolle die Parteiführung nicht aus der Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aussteigen, sagte Dreyer in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Es gebe aber eine ganz klare Einigkeit in der Frage, dass es so nicht weitergehen könne. "Wir wollen nicht mehr in einer großen Koalition arbeiten, in der man sich innerhalb der Union von morgens bis abends streitet über Dinge, die eigentlich überhaupt keine Streitthemen sind", warnte die Sozialdemokratin.
"Nerven bewahren"
Der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Sebastian Hartmann empfahl dem Parteivorstand, "die Nerven zu bewahren" und endlich die geforderte neue Strategie für eine eigenständige Sichtbarkeit der Sozialdemokratie zu entwickeln. Er verwies nochmals auf das bindende Mitgliedervotum, mit dem erst vor wenigen Monaten entschieden worden sei, in eine große Koalition einzutreten.
Bundesweit kommen Union und SPD zusammen nur noch auf etwa 39 Prozent. Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend liegt die SPD bei 14 Prozent, die Union bei 25 Prozent - beide Werte sind Allzeit-Tiefstände. Die Grünen würden von 19 Prozent der Befragten gewählt werden, die AfD erreicht 16 Prozent. Die FDP käme auf elf Prozent, die Linke auf neun Prozent.
se/mak (rtr, welt, dpa, afp)