1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sorge nach Rechtsruck in Dänemark

Andreas Stahl, Kopenhagen / AR20. Juni 2015

Wegen des Rechtsrucks drohen in Dänemark strengere Asylregeln. Viele Flüchtlinge haben Angst vor ihrer Abschiebung - insbesondere wenn die Dansk Folkeparti an der Regierung beteiligt wird. Von Andreas Stahl, Kopenhagen.

https://p.dw.com/p/1Fk1W
Kleine Meerjungfrau in Kopenhagen - Foto: Jochen Lübke (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

Im "Trampolinhuset" spricht man nach der Wahl von einer Katastrophe. Das Zentrum unterstützt Flüchtlinge und Asylbewerber, die nach Dänemark gekommen sind. "Die Rechtskonservativen haben vor der Wahl angekündigt, dass sie all die Verbesserungen wieder kassieren werden, die die sozialliberale Koalition eingeführt hat - dazu zählt auch die finanzielle Hilfe, die wir bislang von der Regierung bekommen", sagt Morten Goll, der sich mit anderen die Leitung des Trampolinhuset teilt. "Ohne das Geld müssen wir schließen."

Das Zentrum ist ein Treffpunkt für Asylsuchende und Flüchtlinge, die sonst außerhalb der Stadt untergebracht sind. Hier gibt es Dänischkurse, Freizeitangebote und Rechtsberatung. Ziel ist es, dass sich die Hilfesuchenden nicht mehr so sozial isoliert und machtlos gegenüber den Behörden fühlen.

Asylbewerber Niyo Joseph - Foto: Andreas Stahl (DW)
Asylbewerber Joseph: "Man weiß nicht, was aus einem wird"Bild: DW/A. Stahl

Zwei Kurden spielen hier gerade Tischtennis. Auch sie sind beunruhigt. "Ich bin nervös. Die Rechten wollen uns hier aus irgendeinem Grund nicht haben. Ich weiß wirklich nicht, warum", sagt einer von den beiden, während er eine Ballangabe macht. Er unterbricht das Match einen Augenblick, um hinzufügen, dass er nach Dänemark gekommen ist, um ein neues Leben zu beginnen. "Ich bin vor dem Krieg geflohen und habe alles verloren, was ich besaß." Nun wolle er Teil der dänischen Gesellschaft werden. "Eine Einrichtung, wie das Trampolinhuset, hilft bei der Integration und das ist alles, was wir wollen."

Süßigkeiten und Flugblätter

Der Wahltag in Dänemark: "Wir Asylbewerber sagen: Danke, Dänemark für die Unterstützung", ist auf dem Rücken von Niyo Josephs T-Shirt zu lesen. Er hat sich am Donnerstag mit anderen Asylbewerbern vor ein Wahllokal in Kopenhagen gestellt, um Süßigkeiten und Flugblätter an die Dänen zu verteilen, die gerade ihre Stimme abgeben wollen. Eine Aktion, die die Leute dazu bringen soll, erst noch einmal nachzudenken, bevor sie ihre Stimme einer Partei geben, zu deren Programm eine Einschränkung des Asylrechts gehört.

Asylbewerber Niyo Joseph mit Dank-T-Shirt - Foto: Andreas Stahl (DW)
Aktion vor Wahllokal: "Danke, Dänemark für die Unterstützung"Bild: DW/A. Stahl

"Wir wollen deutlich machen, dass die Dänen nichts zu befürchten haben, und dass wir sehr zu schätzen wissen, wie Dänemark uns hilft", sagt Niyo Joseph, der aus dem Kongo kommt. Schon seit fast zwei Jahren wartet er darauf, dass über seinen Asylantrag entschieden wird. In dieser Zeit wohnte er in vier Asylbewerberunterkünften in verschiedenen Regionen Dänemarks. "In so einer Unterkunft zu leben, ist ziemlich schwierig. Hauptsächlich wegen der Anspannung, weil man nicht weiß, was aus einem wird", sagt Niyo Joseph. "Man ist sehr isoliert. Und während man rumhockt und wartet, hat man kaum eine Chance, mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt zu kommen."

Kürzungen als Wahlkampfversprechen

Das nun von Schließung bedrohte Trampolinhuset versucht, genau an diesem Punkt anzusetzen: "Unser Grundgedanke ist, diese oft langwierige Isolierung aufzubrechen, die vielfach zu Depressionen, Apathie und Aggressionen führt," sagt Morten Goll im Zentrumsbüro. "Wir wollen die Lage für Asylsuchende ändern, weil es keinen Grund gibt, dass sie hier in Dänemark zu Opfern werden oder dem Sozialstaat zur Last fallen." Die meisten von ihnen hätten zuvor nie etwas von Wohlfahrt gehört und hätten auch nicht gewusst, was ein Sozialstaat ist. "Sie möchten in einer Demokratie leben, und als Mensch anerkannt werden. Doch die Rechten behaupten, die Asylbewerber kämen nur, um unser Geld zu verprassen", schimpft Goll.

Wahlwerbung auf einem Bahnsteig in Kopenhagen - Foto: Andreas Stahl (DW)
Wahlwerbung auf einem Bahnsteig in Kopenhagen: Ruf nach strengeren Regeln für AsylbewerberBild: DW/A. Stahl

Eines der Wahlversprechen, sowohl der liberalen Venstre-Partei als auch der nationalistischen Folkeparti, war, Flüchtlingen die staatliche Unterstützung zu kürzen und sie bei der Jobsuche anzutreiben. Aus Golls Sicht wird damit kein Problem gelöst. Er glaubt, dass die Rechten einen ganz anderen Plan haben: "Die wollen das so, weil sie dann mit dem Finger auf Asylbewerber zeigen und sagen können: 'Die bekommen hier nichts. Die sind nur faul und eine Last für unsere Gesellschaft.' Aber welche Chancen geben wir denen denn?", fragt Goll rhetorisch. "Monatelang gefangen in einer Asylbewerberunterkunft, ohne Geld: Welche Möglichkeit haben sie, sich hier zu integrieren?"

Angst vor der Zukunft

Es wird erwartet, dass in Dänemark die Regeln für Flüchtlinge verschärft werden. Beide Parteien des rechtskonservativen Lagers haben im Wahlkampf versucht, sich gegenseitig zu überbieten, wer für die strengsten Asylgesetze ist. Die Dansk Folkeparti tritt am repressivsten auf, wenn es darum geht, Zuflucht zu gewähren. Mehrfach hat die Partei deutlich gemacht, dass sie dafür ist, Asylsuchende in Flüchtlingscamps in der Nähe von deren Heimatländern zu bringen, anstatt sie in Dänemark zu lassen. "Ich habe Angst, dass sie mich wieder nach Hause schicken", sagt Niyo Joseph aus dem Kongo. Er hält kurz inne, bevor er fortfährt, Flugblätter zu verteilen: "Wenn sie das machen, werde ich sterben."

Im Trampolinhuset will man sich aber noch nicht geschlagen geben: "Ich werde mit den Politikern sprechen", kündigt Morten Goll im Zentrumsbüro an. Wenn das Problem sei, dass Flüchtlinge nicht arbeiten, dann hätte das Trampolinhuset eine Lösung. Es sei nämlich vernünftig, Flüchtlingen einen Job zu verschaffen, damit sie Teil der Gesellschaft werden.