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Vorbild für Schwarze Bergsteigerinnen

15. Juli 2020

Sie war die erste Schwarze Frau auf dem Mount Everest. Heute ist Sophia Danenberg eine erfolgreiche Managerin auf internationalem Parkett. In die "Black Lives Matter"-Bewegung setzt sie große Hoffnung.

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Bersteigerin Sophia Danenberg | Gipfel des Mount Everest im Mai 2006
Sophia Danenberg im Mai 2006 auf dem Gipfel des Mount EverestBild: Privat

Stell' dir vor, du warst auf dem Gipfel des Mount Everest, und niemanden scheint es zu interessieren. So erging es Sophia Danenberg, nachdem sie am 19. Mai 2006 den höchsten Berg der Erde bestiegen hatte - als erste Schwarze Frau, als erste Afroamerikanerin - unabhängig vom Geschlecht. "Ein Freund in Connecticut, wo ich damals lebte, war freiberuflicher Journalist und wollte einen Artikel über mich für die große Lokalzeitung dort schreiben. Aber sie lehnten die Geschichte ab", sagt Danenberg. Erst als ein Magazin in Chicago ein Interview mit ihr abdruckte, lief die US-Medienmaschinerie ungewohnt zäh an.

Dass die Information über die erste Schwarze Bergsteigerin auf dem Mount Everest beinahe untergegangen wäre, kommt nicht von ungefähr. Bis heute sind People of Color im US-Bergsport die Ausnahme. Zum einen sei Bergsteigen "keine Sportart wie American Football, Basketball, Baseball oder Fußball, die man im Fernsehen sieht und die einen eines Tages reich und berühmt machen könnte", erklärt Danenberg das Phänomen, das auch als "Adventure Gap" (Abenteuer-Lücke) bekannt ist.

Zum anderen hätten viele Schwarze "nicht einmal ausprobiert, wandern zu gehen". Als sie jung gewesen sei, so die 48-Jährige, "waren sich die meisten Schwarzen, die ich kannte, gar nicht des Bergsteigens bewusst, hatten aber dennoch irgendwie ein Interesse daran." Klettern war jedoch - und ist heute immer noch weitgehend - ein Sport der Weißen. Die aktuelle Rassismusdebatte hat auch dies zum Thema gemacht.

Harvard-Abschluss mit Auszeichnung

Bersteigerin Sophia Danenberg | APEC-Konferenz 2019
Delegierte auf vielen internationalen KongressenBild: Privat

Sophia Danenberg ist eine Powerfrau, die sich von latentem oder offenem Rassismus nie hat bremsen lassen. Die Tochter eines Schwarzen Arztes und einer japanischen Mutter wuchs in Chicago auf und studierte danach in Harvard Chemie und angewandte Mathematik. Als an der renommierten Universität ein neuer Studiengang in Umweltwissenschaften und Public Policy etabliert wurde, sattelte sie um. Danenberg schloss ihr Studium mit Auszeichnung (Magna Cum Laude) ab.

Sie startete ihr Berufsleben als Spezialistin eines US-Unternehmens für "grüne Technologie". 2009 wechselte sie zum Luftfahrtkonzern Boeing. Dort leitet sie die Abteilung, die für das Unternehmen die internationale Politik in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Sicherheit analysiert. Danenberg hält den Kontakt zu weltweit agierenden Unternehmen sowie Organisationen wie den Vereinten Nationen, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC).

Sie engagiert sich auch politisch: für die Demokraten. Sie unterstützte Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf und war Delegierte beim Wahlkongress der Demokraten 2008 in Denver. Bergsteigen und Klettern sind für Danenberg nach wie vor die beste Medizin gegen den Dauerstress, dem sie sich durch ihren Tanz auf so vielen Hochzeiten aussetzt.

Diskriminierung ignoriert

2006 am Mount Everest sei sie sich nicht wie eine Exotin vorgekommen, erinnert sich Danenberg: "Das Basislager ist unglaublich divers und international, daher ist es kaum möglich, sich exotisch zu fühlen." Allerdings, so räumt sie ein, sei sie damals schon ein wenig "aus dem Rahmen gefallen: nicht nur wegen meiner braunen Hautfarbe, sondern auch, weil ich klein war - und eine Frau. Einige Leute vermuteten, ich käme vielleicht aus Indien oder Südasien. Ein Sherpa sagte sogar, er habe gedacht, ich könnte eine Nepalesin sein, außer dass ich 'besseres Haar' hätte - was lustig war, denn Sherpanis haben sehr schönes Haar. Aber ich schätze, er stand auf lockige Haare."

Bersteigerin Sophia  Dannenberg in Chile
Erst spät als Kletterin akzeptiertBild: Privat

Sie habe sich am Berg selten diskriminiert gefühlt, sagt Danenberg - vielleicht aber auch, weil sie kleinere Verletzungen gar nicht mehr registriert habe: "Man gewöhnt sich daran, viele Dinge einfach zu ignorieren." Häufig, so Danenberg, "waren es meine weißen männlichen Kletterpartner, die registrierten, dass ich anders behandelt wurde und die sich an meiner Stelle darüber ärgerten." Erst allmählich sei ihr selbst aufgegangen, dass sie als Schwarze Frau diskriminiert wurde: "Ständig wurde angenommen, ich sei keine Kletterin, bestenfalls eine Anfängerin. Selbst als ich meinem Freund das Klettern beibrachte, nahm jeder an, er würde mich unterrichten. Dabei war ich ganz eindeutig diejenige, die führte."

Neben dem Mount Everest (8850 Meter, Asien) bestieg Danenberg noch drei weitere der "Seven Summits", der höchsten Berge aller Kontinente: den Aconcagua (6962 Meter, Südamerika), den Denali (6194 Meter, Nordamerika) und den Kilimandscharo (5895 Meter, Afrika). Heute ist sie ein Vorbild für viele junge Schwarze Bergsteigerinnen. Inzwischen gibt es in den USA Organisationen wie "Brown Girls Climbing", die speziell für junge People of Color Kletterkurse anbieten. 

"Zahl Schwarzer Bergsteiger wird exponentiell steigen"

Danenberg ist positiv überrascht, dass die "Black Lives Matter"-Bewegung in den USA auch international so hohe Wellen geschlagen hat: "Die weltweite Unterstützung ist erstaunlich. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir in den USA an der Schwelle zu grundlegenden Veränderungen stehen." Spürbar würden diese zunächst in grundlegenden Bereichen der Gesellschaft wie den Beziehungen der Menschen untereinander, der Arbeit oder der Bildung, sagt Danenberg.

Ein Hobby wie das Bergsteigen hinke deshalb fast zwangsläufig etwas hinterher: "Ich glaube jedoch, dass es in den nächsten 10, 15 Jahren immer mehr und mehr Schwarze Bergsteiger geben wird. Und da mehr Schwarze Menschen es tun und ihren Kindern und ihrem Umfeld beibringen werden, erwarte ich, dass die Zahl Schwarzer Bergsteiger exponentiell steigen wird." Und deren Leistungen am Berg werden es dann wahrscheinlich leichter in die Schlagzeilen schaffen als Sophia Danenbergs eigene vor 14 Jahren: die erste Besteigung des Mount Everest durch eine Schwarze Frau.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter